Hinterhaltgespräche - FALTER.maily #137

Florian Klenk
Versendet am 12.02.2020

vergangene Woche habe ich in meinen Leitartikel offen gelegt, wie Sebastian Kurz in einem Hinterhalt-, äh Hintergrundgespräch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft diskreditiert. Sie sei von roten Verbindungsleuten unterwandert, spiele Akten nach außen und bedrohe mit überlangen Verfahren die Existenz Unschuldiger.

Kurz setzte sich vor allem für seinen ehemaligen Finanzminister Hartwig Löger ein, gegen den in der Casinos-Affäre wegen Amtsmissbrauch ermittelt wird (hier ein Überblickstext aus dem Archiv). Der Grund für die Attacken des Kanzlers: die WKStA ermittelt gegen Löger, aber auch gegen Raiffeisen-Chefs und den ehemaligen Kabinettschef im Finanzministerium, Thomas Schmid, heute Alleinvorstand der Österreichischen Beteiligungs AG.

Einige Kollegen haben mich für meinen Artikel hart kritisiert, andere auf die Schaufel genommen. Hubert Patterer, der geschätzte Kollege der Kleinen Zeitung, meinte, der Falter würde sich selbstgerecht mit Heldentum parfümieren und die beim Hintergrundgespräch anwesenden Kollegen als Hofberichterstatter diskreditieren. Ähnlich sah das auch Ulrike Weiser in der Presse. Der stets lesenswerte Christian Nusser, den wir eines Tages fürs Maily verpflichten werden, spöttelte, ich erledige in Wahrheit das Geschäft des Kanzlers.

Um Heldentum geht es aber nicht. Und schon gar nicht um Kritik an der Kollegenschaft. Ganz im Gegenteil: die Kollegenschaft hat ja die Worte via Falter an die Öffentlichkeit gebracht. Eigentlich geht es mir nur um eine "dirty campaign", die die ÖVP geschickt gegen die WKStA fahren wollte, um diese bei ihren Ermittlungen gegen ÖVP-Haudegen zu schwächen. Ich denke, da sollte man das Licht anknipsen.

Ich wäre selbstverständlich auch zum Hintergrundgespräch gegangen, wäre ich eingeladen gewesen und hätte dann auch nicht darüber berichtet. Das Redaktionsgeheimnis ist heilig. Aber in diesem Fall wurde uns ja von Kurz nichts anvertraut. Denn meine eingeladene Kollegin Barbara Tóth konnte den Termin nicht wahrnehmen, daher war der Falter an keine Verschwiegenheit gebunden. So konnten wir die von den Kollegen an uns getragenen Aussagen von Kurz, die meiner Meinung nach im öffentlichen Interesse sind, reinen Herzens veröffentlichen und eine wichtige justizpolitische Debatte auslösen.

Falls Sie jetzt bei all den Nebelbomben den Überblick verloren haben, verhelfen wir Ihnen zum Durchblick. Hier habe ich versucht die Gründe für die Attacken von Kurz aufzuschreiben. Sie sind, so fürchte ich, nicht von hehren Motiven getragen, auch wenn Kurz das jetzt so darstellt. Barbara Tóth wiederum hat für sie aufgeschrieben, was Hintergrundgespräche eigentlich sind und welche Regeln dort gelten. Und Falter-Herausgeber Armin Thurnher ist endlich wieder aus Indien zurück.

Ihr Florian Klenk


Empfehlung

Angriffe der Politik auf vermeintlich "rote Roben" sind natürlich kein österreichisches Spezifikum. In Ungarn, in Italien, in Rumänien kommt die Justiz ganz anders unter Druck. Vor allem in Polen stehen die Richter unter Dauerbeschuss. Meine Kollegin Eva Konzett beschreibt hier en détail, wie die polnische Justiz von der dort regierenden PIS-Partei an die Kandare genommen wird. Die EU, die sich lange mit dem Brexit beschäftigte, verliert in Polen eine wichtige Säule: die der Rechtsstaatlichkeit. Ganz besonders ans Herz legen möchte ich Ihnen daher auch die stets sehr exzellent verfassten Newsletter des österreichischen Forschers Gerald Knaus. Sein eindringlicher Bericht zu Polen sollte große Verbreitung finden.


Noch Eine Empfehlung

Zwei wichtige Recherchen in der aktuellen Ausgabe möchte ich Ihnen auch noch empfehlen. In Wien, so hat es den Anschein, beginnen Behörden kleine Unternehmen zu schikanieren. Benedikt Narodoslawsky und Birgit Wittstock haben aufgeschrieben, was das für Cafés und Restaurants bedeutet. Etwa die traditionsreiche Konditorei Sluka beim Rathaus oder das Café Concerto am Gürtel. Gerlinde Pölsler wiederum deckt auf, wie wissenschaftliche Studien über das Pflanzenschutzmittel Glyphosat wirklich zustande kommen.


Aus Dem Archiv

Zum Schluss noch ein Text aus dem Archiv. Wie ich gestern durch einen Tweet der Justizministerin gelernt habe, plante die Regierung die Veröffentlichung von Gerichtsakten unter Strafe zu stellen. Die Grünen spielten dabei nicht mit. Hier habe ich aufgeschrieben, wieso ein Publikationsverbot keine gute Idee, sondern ein Anschlag auf die Pressefreiheit wäre.


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