Flaschengeist

Benedikt Narodoslawsky
Versendet am 09.03.2020

vor wenigen Tagen stellte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ihr Klimagesetz vor. Darin steht, dass die EU bis 2050 klimaneutral wird. Tausende Klimaschützer demonstrierten währenddessen in Brüssel für ein ehrgeizigeres Ziel. Mitten unter ihnen war Greta Thunberg.

Gretas unglaubliche Geschichte stelle ich mir manchmal so vor: Das 15-jährige Mauerblümchen spaziert im Frühling 2018 schwermütig am Hafen von Stockholm entlang, da stolpert es über eine ölige Lampe. Greta rubbelt sie ab, raus kommt ein Flaschengeist, der seit der Wikinger-Zeit in der Lampe gefangen war und ihr zum Dank drei Wünsche erfüllen will.

1. Wunsch: "Die Klimakrise soll gestoppt werden!"

2. Wunsch: "Ich möchte viele Freunde finden!"

3. Wunsch: "Leonardo DiCaprio soll mich toll finden."

Der Flaschengeist ist extrem fleißig, er erfüllt Greta die letzten zwei Wünsche in kürzester Zeit, aber die Verwirklichung des ersten gestaltet sich enorm schwierig. Allerdings: Er arbeitet mit voller Kraft daran. Er bringt Millionen Menschen auf die Straßen, pflügt die Medienlandschaft um, holt Wissenschaftler aus dem Elfenbeinturm und beginnt Europa zu verändern. Kaum ein Land rüttelt er stärker durch als Österreich: Die Klimawandel-leugnende FPÖ fliegt aus der Regierung, statt ihnen regieren erstmals in der Geschichte der Republik die Grünen.

Sie wissen es bereits: Es gibt keinen Flaschengeist. Aber es gibt "Fridays for Future", eine Bewegung aus jungen Menschen mit Wut im Bauch und selbst gebastelten Schildern in der Hand. Vor fast genau einem Jahr wurden sie durch den ersten globalen Klimastreik zum politischen Faktor in Österreich. Wie konnten ein paar Jugendliche die Republik verändern?

Vier Monate wurde ich von der Falter-Redaktion freigestellt, um dieser Frage nachzugehen. Das Ergebnis dieser Langzeitrecherche veröffentliche ich diese Woche im Buch "Inside Fridays for Future" (Falter-Verlag).

Starten Sie gut in die Woche!

Ihr Benedikt Narodoslawsky


Zum Schaün

Wie eine Ökologiebewegung entsteht, schildert auch die sehr gut gemachte TV-Doku "How To Change The World", die unter anderem auf Netflix zu sehen ist. Sie zeichnet die ersten turbulenten Jahre der Umwelt-NGO Greenpeace mit tollem Archivmaterial nach. Hier geht's zum Trailer.


Termine

Zur Buchpräsentation von "Inside Fridays for Future" lade ich Sie herzlich ein. Sie findet mit Falter-Herausgeber Armin Thurnher und mir statt. Termin: Freitag, 13. März, 19 Uhr, Buchhandlung Thalia W3, Landstraßer Hauptstraße 2A, 1030 Wien. (Eintritt frei!)

Ebenfalls herzlich eingeladen sind Sie zum Gespräch über die Zukunft der Fridays for Future. Darüber diskutieren Antje Daniel (Protestforscherin), Veronika Winter (Fridays for Future Wien), Martha-Sophie Krumpeck (Extinction Rebellion) und ich. Falter-Chefredakteur Florian Klenk moderiert die Veranstaltung. Termin: Dienstag, 17. März 2020, 19 Uhr, Hauptbücherei, Urban-Loritz-Platz 2a, 1070 Wien. (Eintritt frei!)


Empfehlung

Weil das Buchschreiben eine schweißtreibende Angelegenheit ist, hat mich das Thema Stress vier Monate lang sehr beschäftigt. Dass einen Stress nicht gleich ins Grab bringen muss, habe ich von der Gesundheitspsychologin Kelly McGonigal gelernt. Sie erklärt in diesem Ted-Talk, dass gesundheitsschädigende Folgen von Stress weniger mit dem Stresslevel, sondern mehr mit der Einstellung zum Stress zu tun haben.


Noch Eine Empfehlung

Die Bundesverfassung ist 100 Jahre alt. Doch wie reformbedürftig ist sie? Eine Bestandsaufnahme u.a. mit Ex-Bundespräsident Heinz Fischer und Ex-Justizminister Clemens Jabloner hören Sie in der aktuellsten Folge unseres Podcasts Falter Radio - entweder auf falter.at/radio oder in Ihrer Podcast-App.


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Diskussion zum Thema "Lügenpresse? Die Vertrauenskrise des Journalismus"