Überwachung

Stefanie Panzenböck
Versendet am 12.03.2020

es ist eine unsichtbare Gewalt, die in unsere Tagesabläufe eingreift. Krisenpläne werden diskutiert, Vorräte angelegt, Museen und Theater stellen den Betrieb ein. Ab nächster Woche bleiben die Schulen geschlossen.

Ausbrüche von Epidemien, die auch zu Pandemien wurden, gab es in der Vergangenheit viele, ihre Aufarbeitung zeigt unterschiedliche Facetten.

Der französische Historiker und Philosoph Michel Foucault behandelt die Pest in einem seiner Hauptwerke, "Überwachen und Strafen", im Kapitel "Panoptismus". Der Begriff kann mit "das alles Sehende" übersetzt werden. Denn will man eine Pandemie eindämmen, müssen Kontrollmechanismen greifen. Diese führen zu mehr Überwachung des Einzelnen. Ein Umstand, den man aus Rücksicht auf die Gesellschaft in Kauf zu nehmen bereit ist.

Foucault bezieht sich auf Regelwerke, die im 17. Jahrhundert in Kraft traten, wenn die Pest ausbrach. Der Raum wird parzelliert, jedes Viertel von einem Intendanten, jede Straße von einem Syndikus überwacht. "Der Raum erstarrt zu einem Netz von undurchlässigen Zellen. Jeder ist an seinen Platz gebunden. Wer sich rührt, riskiert sein Leben: Ansteckung oder Bestrafung. Die Überwachung ist lückenlos", schreibt der Philosoph. Jeder Mensch und seine Handlungen werden registriert, alle Vorgänge aufgezeichnet.

Dem Umgang mit der Pest stellt Foucault die Behandlung von Leprakranken gegenüber. Der eine besteht aus fein gegliederten Disziplinierungsmaßnahmen, die andere aus einer scharfen Trennung zwischen einer normalen und anormalen Masse. "Einmal ist es der Traum von einer reinen Gemeinschaft (Lepra; Anm.), das andere Mal der Traum von einer disziplinierten Gesellschaft." Diese beiden Methoden seien zwar unterschiedlich, aber doch auch vereinbar. In ihrer Zusammenführung sind sie die Grundlage für einen gut funktionierenden und ausbaubaren Überwachungsapparat.

Es geht nicht darum, Maßnahmen gegen Corona zu verteufeln. Es geht darum, über die Pandemie und ihre Konsequenzen nachzudenken und wachsam zu bleiben.

Ihre Stefanie Panzenböck


Zum Nachlesen

Michel Foucault "Überwachen und Strafen - Die Geburt des Gefängnisses" ist 1977 bei Suhrkamp erschienen (und hier im Faltershop verfügbar).


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Hinweis

Mein Kollege Benedikt Narodoslawsky hatte sich schon so gefreut - am Freitag im Thalia W3 und am kommenden Dienstag in der Hauptbücherei Wien am Gürtel hätte sein neues Buch "Inside Fridays For Future" präsentiert werden sollen. Aus naheliegenden Gründen wurden die beiden Veranstaltungen abgesagt. Hier gibt es das Buch im Faltershop.


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