Je suis SPÖ - FALTER.maily #1050
Bevor China die schlimmsten Seiten von Kommunismus und Kapitalismus zur Nationalphilosophie erhob, gab es dort einige interessante Denker. Huainanzi ...
jede Krise birgt Chancen, das ist ein Sinnspruch, mit dem wohl so manche verzweifelten Menschen gerade ihre Kissenbezüge besticken. Die Corona-Selbstisolation eignet sich ja wunderbar dafür, vergessene Hobbys zu reaktivieren, mehrgängige Menüs zu kochen, an den Yoga-Posen zu arbeiten und nebenbei mit den Kindern die großen Dichter und Denker durchzunehmen. Das Glas ist schließlich immer halbvoll, mit gesundem Karotten-Sellerie-Smoothie.
Birgt das Ganze eine Chance? Endlich Zeit zur "Entschleunigung", und dazu ein großartiger Digitalisierungsschub, hört man oft. Ich bin da skeptisch. Oma und Opa haben jetzt auch Whatsapp (gehört zu Facebook) und Skype (gehört zu Microsoft), das ist super, keine Frage. Wir sind auf das Internet angewiesen wie nie zuvor.
Langfristig wird sich das wohl dahingehend entwickeln, dass die sogenannten Big Five der US-Tech-Firmen, also Alphabet/Google, Amazon, Apple, Facebook und Microsoft, ihre Monopolstellung stärken. Facebook Messenger und Whatsapp verzeichnen beispielsweise höhere Zugriffszahlen als zu Silvester; Amazon sucht in den USA gerade 100.000 neue Angestellte. Die Unternehmen dieses Landes videokonferieren über Microsoft Teams oder Google Hangouts.
Die Dienste sind scheinbar gratis; wir zahlen mit unseren persönlichen Daten. Vermutlich ist das jetzt gerade Ihre kleinste Sorge, was ich Ihnen nicht verübeln kann. Auch mich entspannt das Scrollen durch die bunte Bilderwelt von Instagram (gehört zu Facebook). Die Yoga-Posen, die süßen Kinder, das gute Essen, die schönen Stickbilder. Hach.
Wenn Sie ein paar Minuten Zeit haben, empfehle ich dennoch eine Runde Selbstoptimierung in Sachen Datenschutz: Signal statt Whatsapp; Posteo oder Protonmail statt Gmail; Firefox statt Chrome.
Viel Erfolg wünscht
Ihre Anna Goldenberg
"Mir fehlt mein altes Leben, ich mochte es", schreibt Lukas Matzinger in seiner Reportage „Stille Nacht“ im aktuellen Falter. Mir geht es ähnlich. Die Harvard Business Review hat mich über meine Gefühlslage aufgeklärt: Wir alle befinden uns nämlich gerade in Trauer. Wir trauern um die Normalität, die nun verschwunden ist und die Verbindungen zu anderen Menschen, die wir vermissen. Außerdem fühlen wir so etwas wie vorweggenommene Trauer, also die Vorahnung, dass etwas Schlimmes passieren wird – vergleichbar mit dem Gefühl, sich vorzustellen, dass die eigenen Eltern oder ein lieber Freund bald sterben könnten. Was hilft? Sich bewusst machen, dass der Zustand temporär ist.
Kollege Thurnher ist schon bei Folge 10 seiner Nachrichten aus der Selbstisolation: "Der Fall von Rom, I" handelt von den Führern der westlichen Welt, bei denen den Seuchenkolumnisten ein altrömisches Dekadenzgefühl beschleicht. Hier gibt es seinen Text.
In einem neuen Video auf falter.tv ist diesmal Klaus Nüchtern zu sehen, der über das von ihm mitherausgegebene Buch "Unser Land" spricht. Er findet, wir dürfen den Heimatbegriff nicht "den Gabaliers und Vilimskys" überlassen. Das Video sehen Sie hier; und dort verrät Nüchtern auch, wie man eines von drei Exemplaren gewinnen kann. Spielen Sie mit!