Das neue ABC des Schwangerschaftsabbruchs - FALTER.maily #1203
Frauenorganisationen schlagen Alarm, Gynäkologinnen warnen vor abnehmenden Abtreibungs-Rechte und neue Initiativen wollen vermeiden, dass der ...
liebe Herausgeforderte!
Wissen Sie, wie man solche wie mich nennt? Solche, die Ihnen beinahe täglich ein Maily schreiben, diese neckische Kontraktion aus „daily“ und „mail“, diese nicht ganz unelegante Vermeidung des Wortes Newsletter, dieses Anglizismus, dem doch ein Hauch deutschen Diminutivs anhaftet? Man nennt uns Epistolographen, und unsere Tradition lässt sich bis in die Antike zurückverfolgen.
Mit dem Beginn der Alphabetisierung war Arbeitsteilung angesagt. Die nicht schreiben konnten, ließen sich Briefe schreiben. Briefschreiber war ein Brotberuf. Epistole – griechisch: der Brief; graphein – griechisch: schreiben. Die Spitzen der Epistolographie ragten in die Literatur hinein und verfassten Musterbriefe oder Werke in Briefform, Cicero oder Horaz wären zu nennen. Briefromane kennen Sie alle. Goethes „Die Leiden des jungen Werthers“ sind vielleicht das berühmteste Beispiel.
Was einem heute an Mitteilungen, Tagebuchblättern und Signalen aller Art entgegenflattert und sich Letter, Daily oder Briefing nennt, kann einem schon auf die Nerven gehen, außer man gehört zu jenen beneidenswerten Exemplaren des neuen Menschen, die erst aufleben, wenn digitale Signale dicht genug auf sie einprasseln. Falter-Maily pausiert in der Regel am Sonntag, um Ihnen etwas Luft zu lassen.
Briefen wie diesem fehlt, was sie einst attraktiv machte: das Geheimnis. Das 18. Jahrhundert, in dem sich Aufklärung und Öffentlichkeit formten, war auch das Jahrhundert des Briefes. Öffentlichkeit probte im Geheimen den Ernstfall, im Kaffeehaus, im Salon, im Brief.
Das Geheimnis, das heute vor allem Ämter und Redaktionen für sich in Anspruch nehmen, gehörte einst selbstverständlich zu jeder Form der Korrespondenz. Zwar musste man als briefschreibender Schriftsteller darauf gefasst sein, dass jemand diese Briefe sammelt, auch und gerade solche, die nicht zur Veröffentlichung gedacht waren. Vernichtungsgebote wurden aber, Gottseidank, oft missachtet, sonst hätten wir einiges an Weltliteratur weniger.
Um einer Ethik des Briefs – die gibt es natürlich – gerecht zu werden, wäre es gut zu wissen, an wen man sich wendet. Es geht im Brief ja nicht nur darum, sich selbst darzustellen, als vielmehr darum, den anderen oder die andere zu verstehen. Das sind im Maily-Fall schon Zehntausende, also stößt das Verständnis an Grenzen.
„Ein guter Brief“, sagt der Schriftsteller und Theologe Arnold Goes, „ist die Leistung eines Menschen, der sich selbst mit allem dem seinen zusammenfassen kann; und so ist es also nicht einmal Vermessenheit oder Übermut, wenn er auf die Frage, wie lange er zu diesem oder jenem Brief gebraucht habe, die Antwort gibt: eine dreiviertel Stunde und mein ganzes Leben.“ Diesen schönen Satz fand ich im Buch „Demnächst mehr. Das Buch der Briefe“, das der Literaturwissenschaftler Rüdiger Görner 2008 herausgegeben hat. Schreiben Sie doch wieder einmal einen, mit der Hand, eine dreiviertel Stunde lang!
Wenn es mir gelungen ist, Ihre Gedanken für ein paar Minuten von unserer nicht besonders angenehmen Situation fernzuhalten, hat dieses Maily seinen Zweck getan. Corona satt gibt es ohnehin gleich in den Hinweisen.
Ihr Armin Thurnher
Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise sind nicht abzusehen, fest steht nur: hoch gewinnen wir das nicht mehr, wie einst Toni Pfeffer beim Halbzeitstand von 0:5 gegen Spanien sagte. Die Globalisierung aufs Spiel zu setzen wäre aber ganz verkehrt, sagt der Ökonom Gabriel Felbermayer, der auch die deutsche Regierung berät. Eva Konzett hat ihn interviewt.
Das vielzitierte Interview mit Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker, geführt von Eva Konzett und Florian Klenk, können Sie hier nachhören.
Nr. 12: Das Inhumanitäts-Gen hat die Regierung Kurz erwischt. Nr. 13: Indien erlebt den brutalsten Lockdown der Welt. Alle meine Seuchenkolumnen können Sie hier nachlesen.
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