Mir niederösterreicht’s! - FALTER.maily #1044
Gräben zuschütten. Welch ein frivoles Wort, wenn wir uns vor Augen halten, welche Gräben da angesprochen werden. Nämlich jene ...
in der Steiermark und in Wien wird heuer gewählt. Während Corona die Digitalisierung in vielen Bereichen voranzwingt, vertraut man hierzulande bei Wahlen nachwievor nur Zettel und Stift. Warum eigentlich?
An der fehlenden Akzeptanz der Bevölkerung kann es nicht liegen: Eine Umfrage der Universität Wien, die vergangene Woche veröffentlicht wurde, zeigt, dass sich rund 28 Prozent der Befragten wünschten, per Briefwahl und E-Voting zu wählen.
E-Voting – gemeint ist hier die elektronische Stimmabgabe via Internet (auch i-Voting genannt) – sei unsicher, heißt es oft, weil die Gefahr bestünde, dass die Stimmen auf einzelne Personen zurückgeführt oder das Gesamtergebnis gefälscht werden kann. Sichere Alternativen gibt es längst, sagt Alexander Prosser, der an der Wirtschaftsuniversität Wien über eGovernment forscht. Die entscheidende Frage lautet: „Wann passiert die Anonymisierung? Bevor die Stimme in die digitale Urne eingebracht wird oder danach?“
Im Jahr 2009 wurde für die ÖH-Wahl E-Voting eingeführt. Der Verfassungsgerichtshof kippte 2011 die Verordnung, und zwar zu recht: Anonymisiert wurde erst nach Einbringen der Stimme in die digitale Urne. „Es hat somit einen Augenblick gegeben, wo die Stimme und die Identität des Wählers gemeinsam in der Urne gespeichert waren“, erklärt Prosser. Das erlaubt die Rückverfolgung der einzelnen Stimmen und macht es außerdem unmöglich, die digitale Urne an unabhängige Wahlbeobachter weiterzugeben.
Diese Probleme gibt es nicht, wenn die Anonymisierung vorher stattfindet. Vereinfacht funktioniert das kryptografische Verfahren folgendermaßen: Jeder Wähler erhält eine individuelle Zufallszahl, auch Token genannt, die in ein versiegeltes, digitales Kuvert gesteckt und an die Wahlbehörde geschickt wird. Die Wahlbehörde kontrolliert, ob es den Wähler tatsächlich gibt, und signiert das Kuvert, ohne den Inhalt, also das Token, zu sehen. Diese Signatur drückt sich auf den Token durch. Bei der Wahl reicht der Wähler nur diesen anonymen, verifizierten Token ein.
Solche Systeme, so Prosser, existieren bereits. Wird uns die Angst vor Ansteckung im Wahllokal dazu bringen, E-Voting eine Chance zu geben? Die Briefwahl mag zwar virenfrei sein, betrugssicher ist sie aber keineswegs. Dazu Prosser: "Mit E-Voting hat jeder Wähler eine direkte Verbindung zur Wahlbehörde, mit der Briefwahl hat er eine direkte Verbindung zum Briefkasten."
Schöne Erinnerungen an eine Bundspräsidentschaftswahlwiederholungsverschiebung wünscht
Ihre Anna Goldenberg
Die Universität Wien führt eine Panel-Umfrage zur Corona-Krise durch. Die Ergebnisse werden regelmäßig im ausgezeichneten Corona-Blog veröffentlicht, der mich auch zu diesem Text über E-Voting inspiriert hat. Dass Universitäten ihre Forschung selbst präsentieren, ist also eine gute Sache – einerseits. Andererseits verschwimmen dadurch für die Öffentlichkeit bisweilen die Grenzen zwischen Wissenschaftsjournalismus und Wissenschafts-PR. Was tun? In meinem Artikel "Dolmetscher und Schiedsrichter" habe ich mich mit dieser Frage auseinandergesetzt.
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