Sparsam, Smart aber nicht solidarisch - FALTER.maily #223

Barbara Tóth
Versendet am 23.05.2020

Montag diese Woche präsentierten die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron ihren Vorschlag für ein 500 Milliarden schweres Corona-Hilfs-Paket, nächste Woche wird die EU-Kommisson ihre Pläne dazu vorlegen. Und was macht Wien? Es ruft sich zum Anführer der "Sparsamen Vier" aus - gemeinsam mit den Niederlanden, Schweden und Dänemark - und stellt sich gegen den Merkel-Macron-Plan.

Österreichs Kanzler Sebastian Kurz will anders als Merkel und Macron nur Darlehen vergeben, die eins zu eins zurückgezahlt werden müssen, keine Zuschüsse, wie Merkel und Macron, die sich nach der Bedürftigkeit der Länder richten und gemäß dem Anteil am EU-Budget abgestottert werden müssen. Vor allem Deutschland wird dabei mehr einzahlen als bekommen, der Vorschlag aus Berlin und Paris ist ein deutliches Zeichen der europäischen Solidarität, lobt die NZZ.

Statt bei den Herzenseuropäern sind wir, wenn es um die Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise geht, also lieber beim Sparverein, im Club der "Sparsamen Vier". Als die erste Corona-Welle überwunden war, rief sich Kurz gleich zum Anführer der "Smarten Sieben" aus - jenen Ländern, die die Corona-Krise früher und besser gemeistert haben (Israel, Griechenland, Tschechien, Dänemark, Australien und Neuseeland). Vor kurzem gefiel es der Kanzlerpartei, sich mit Schweden in Sachen Corona-Todes-Statistik zu messen, als ginge es um den ersten Platz in einem Skirennen.

Sparsam, smart, aber nicht solidarisch.

Ihre Barbara Tóth


Mit Wem Wir Rechnen Müssen

Innenminister Karl Nehammer ist der türkise Frontmann im Kampf gegen das "rote Wien". Falls Sie es versäumt haben, schauen Sie sich das Interview an, dass Armin Wolf am Dienstag in der Zeit im Bild 2 mit Nehammer geführt hat. Wolf gelingt es dabei nicht nur, Nehammer Argumentation (Wien ist unser Corona-Hauptproblem, vor allem die Flüchtlingsheime, und Wien will meine Hilfe im Kampf gegen das Virus nicht!) zu demonstrieren. Er hält Nehammer am Ende auch zwei Mal vor, Österreichs Bevölkerung in Sachen Corona-Massnahmen falsch informiert zu haben. Es war nämlich - anders als die Regierung es darstellte - nie verboten, nach draußen zu gehen, solange man einen Meter Abstand zu fremden Personen einhielt. Wie Nehammer Wolfs Fragen ("Warum haben Sie die Unwahrheit gesagt?") ausweicht, ist sehenswert.


Worüber Wir Reden Sollten

Den Umgang mancher Schulen mit den Corona-Regeln. In den Pausen am Platz sitzen bleiben, kaum ins Freie gehen, Maskenpflicht am Gang ... ist das wirklich alles notwendig? Kinder treffen ihre Freunde vor und nach der Schule, sie spielen am Spielplatz gemeinsam, aber im Schulgebäude fühlt die der Alltag an, als wären sie in einer Kaserne und/oder Krankenhaus.


Worauf Wir Achten

Immer dann, wenn ein Türkises oder grüner Politiker "neue Normalität" sagt, und sie sagen es nach wie vor und ziemlich hartnäckig (etwa auch Innenminister Karl Nehammer), denke ich mir: Nein, es gibt keine "neue Normalität", es gibt nur die "normale Normalität" und in der will ich leben.


Podcast

Eine neue Folge im Falter Radio, diesmal geht es um Sexarbeit und Corona - eine Katastrophe. Das wegen der Pandemie unveränderte Verbot der Prostitution trifft 8000 Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter in Österreich schwer, handelt es sich dabei doch um eine Gruppe, die ohnehin schon prekär lebt und von Ausbeutung betroffen ist. Im Falter Salon, dem Podcast für Stadt und Kultur, hat Anna Goldenberg eine Sexarbeiterin, den Angestellten eines Laufhauses und die Leiterin einer Beratungsstelle zur Diskussionsrunde geladen.


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