"Om" und die Sache mit der Yoga-Maut im Park - FALTER.maily #234

Tom Rottenberg
Versendet am 06.06.2020

Fragen ist so eine Sache: Wer fragt, riskiert nämlich ein "Nein". Darum ist es oft besser, etwas einfach zu tun. Etwa wenn man in einem Wiener Park Sport machen will. Egal, ob Yoga, Pilates, Tai Chi oder Coretraining, ob eine junge Mutter den Wiedereinstieg ins Laufen fachkundig betreut starten oder ein Paar hinter der Nationalbibliothek Salsa tanzen will: Derlei – und mehr – sieht man in Wien häufig. Und seit jeher. Das ist gut so. Auch dafür sind Parks da. (Ok: über das Speerwerfen auf Praterwiesen könnte man diskutieren.)

Eines haben diese Aktivitäten gemein: Niemand fragt, man tut. Und ob man der Yogalehrerin zehn Euro gibt? Reich wird die dadurch nicht – und man muss nicht alles künstlich kompliziert machen.

Dann kam Corona. Alle Sportstudios waren zu. Hunderte TrainerInnen standen ohne Einkommen da. Also fragten etliche, die Park-Turnen bisher nicht einmal belächelt hatten, ob und was in Parks möglich wäre. Offiziell – etwa bei den Bundesgärten. Die sind quasi ein Amt. Ihnen "gehören" Augarten, Volks- und Burggarten, Belvedere und Schönbrunn. Ein Amt muß amtlich antworten. Und die Regeln gelten dann für alle. Auch für die, die nie fragten, sondern seit ewig tun.

Also flatterten Mitte Mai bei vielen Yoga- und Sonstwas-TrainerInnen "Informationsschreiben" ins Haus: Organisierte Sportkurse seien in (Bundes)Parks gebührenpflichtig. "Unsere Tarife beginnen ab 1070 Euro pro Tag." Wie bitte?

Das war nicht einmal Bösartigkeit: Yoga im Park war nie am Radar aufgetaucht und die Gärtner fanden nur eine einzige Verordnung. Die zielt auf Film- und und Werbedrehs ab: da ist ein Tausender ein Klacks.

Das Entsetzen war groß. Die Empörung größer. Gruppen "flüchteten" in städtische Parks. Mitte dieser Woche prangerten dann die NEOS die Bundes-Gebühren an – und legten auch der Stadt eine auf: Dort seien 150 Euro fällig.

Freilich: Bei Wiens Park-Stadträtin Ulli Sima (SPÖ) hat man von einer "Yoga-Maut" nie gehört. Niemand, heißt es, denke daran, derlei einzuheben: "Parks sind für alle da." Und zwischen Freundinnen auf der Matte und mikro-gewerblichen EPUs zu differenzieren, wäre außer mühsam und unergiebig nur eines: unsympathisch. Gerade jetzt.

Die Bundesgärtner aber präsentierten am Donnerstag Regeln für "Sport-Pop-Ups". Nach Anmeldung mittels eigenem Formular und Überweisung dürfen auf genau ausgewiesenen Flächen Yoga & Co stattfinden. Gewerbliche Anbieter zahlen 10 Euro pro Stunde. Nicht-gewerbliche (etwa die legendäre Tai-Chi-Gruppe beim Theseustempel) werden nicht erwähnt – und auch weiterhin nicht behelligt werden, heißt es auf Anfrage. Obwohl der Volksgarten jetzt ausdrücklich als Nicht-"Sport-Pop-Up"-Ort angeführt wird.

Auch wenn das offiziell niemand sagt: All das hätte man sich sparen können. Wenn alle weiter gemacht hätten wie bisher. Also einfach ihre Matten ausgerollt hätten. Aber wer fragt, bekommt eine Antwort – und riskiert ein "Nein". Und das gilt dann für alle.

In diesem Sinne: Schönes Wochenende, Om & Namaste.

Ihr Tom Rottenberg


Videotipp

Falter-Chefredakteur Florian Klenk war, Sie wissen es ohnehin, am Donnerstag die erste "Auskunftsperson" im parlamentarischen Ibiza-Untersuchungsausschuss. Dort sagten nach ihm dann die beiden "Haupdarsteller" dieses österreichischen Sittenstückes aus: Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus. Wobei die beiden sich vor allem wortreich aller inhaltlich neuen An-und Aussagen entschlugen.

Tags darauf, gestern – am Freitag –, waren dann Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und Justizministerin Alma Zadić (Grüne) geladen. Sie wurden nicht zuletzt zu jenen Zu- und Umständen befragt, die es möglich machten, dass das schon im April gefundene komplette Ibiza-Video von der SOKO-Tape der zuständigen Korruptionsstaatsanwaltschaft noch immer nicht ausgehändigt, dafür aber der Kronen Zeitung präsentiert wurde. Die Nicht-Anworten Nehammers sprachen für sich.

Die Übersetzung dieses Schweigens, die Analyse dessen, was da an politischen Spielen und Ränken dahintersteckt und welche und wessen Interessen die Polizei durch das Nichtweitergeben von Erkenntnissen an die Justiz schützt, formulierte Klenk schon vor seiner Befragung knapp aber schlüssig in diesem Video auf Falter-TV und in diesem Text.


Hörtipp

Eine neue Folge in unserem Podcast Falter Radio: Der neue Kalte Krieg zwischen den USA und China bedroht die Welt. Die Coronakrise und Pekings Drohungen gegen Hongkong haben die Konfrontation zwischen Donald Trump versus Xi Jinping gefährlich verschärft. Eine Diskussion in englischer Sprache und eine Kooperation mit dem Bruno Kreisky Forum. Zu hören: Raimund Löw im Gespräch mit dem China-Korrespondenten der New York Times Steven Lee Myers und dem Asienspezialisten und ehemaligen EU-Botschafter in Peking Dietmar Schweisgut, alles wie immer auf falter.at/radio oder in Ihrer Podcast-App.


Lesetipp

Der Klenk, dieser journalistische Edelschlingel! Dieser journalistische Hofstädter aus der Billa-Werbung! Nun, so denke nicht ich über unseren Chefredakteur, sondern unser Herausgeber Armin Thurnher - und der muss es ja wissen. Was er damit gemeint hat? Die Auflösung lesen Sie in seiner Seuchenkolumne.


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