Die Angst vor dem Schulausflug - FALTER.maily #1108
"Ich habe mich so gefreut, als die Stadt bekanntgegeben hat, ab Herbst bekommen auch Schülerinnen und Schüler in unserer Schule ein ...
gern schreibe ich Ihnen am Beginn von Wochen, die weniger bewegt sind; dann kann ich mich zum Beispiel dem Genre des Briefs widmen und Ihren Wochenbeginn mit zierlicher Irrelevanz umglänzen.
Manchmal jedoch fordert die Realität ihren Zoll. Dann wird es hier naturgemäß kantiger. Zwei Wochen ist es nun schon her, dass ein brutaler weißer Polizist in Minneapolis dem Afroamerikaner George Floyd in aller Öffentlichkeit mehr als acht Minuten den Atem nahm, woran dieser starb.
Diese quälenden und quälend langen Minuten werden beinahe weltweit bei Demonstrationen nachvollzogen. Wie immer, wenn das Abscheuliche das Zumutbare übersteigt, hoffen alle, alles werde danach anders. Der Rassismus, die Militarisierung der US-amerikanischen Polizei, eine fundamental auf Diskriminierung aufgebaute Gesellschaft – all das muss ein Ende haben. Müsste ein Ende haben.
Erinnern Sie sich an die Prognosen zu Beginn des Lockdowns? Leute, die klar sahen, dass hier eine Wirtschaft wenn nicht zerstört, so doch massiv beschnitten wurde, hofften, bei ihrem Neuaufbau würde die Vernunft regieren. Davon ist wenig geblieben. Wir feiern es bereits als Erfolg „neuen Denkens“, wenn wenigstens Autos mit Verbrennungsmotoren nicht speziell gefördert werden.
Eher als der Wille zur Neuen Welt herrscht vielmehr der Wille vor, beim Wiederaufbau die einmal errungene Macht zu behalten und diesen Wiederaufbau so zu gestalten, dass er genau das befördert.
Die Zahl der Menschen guten Willens, die gegen Rassismus auf die Straßen gingen, ist groß. Teilweise taten sie das in flagranter Missachtung der Corona-Vorsichtsregeln. In meiner Seuchenkolumne schrieb ich gestern: Schön, dass so viele demonstrieren. Hoffentlich setzen sie dabei nicht das eigene Leben aufs Spiel. Bewunderns- wie beklagenswert, dass es ihnen egal zu sein scheint.
Man wünscht sich, dass nicht der üble Hintergedanke des Donald Trump in Erfüllung gehen möge, der Zweitracht sät, damit am Ende eines langen, von Unruhen beherrschten Sommers die Wahl eines reaktionären Präsidenten stehe. Wie 1968, als die Amerikaner Richard Nixon wählten. Das wird unter anderem Thema meines Kommentars dieser Woche im Falter sein, der sich natürlich auch sonst auf vielen Ebenen mit dem Thema Rassismus auseinandersetzen wird.
Ein Thema, das der Falter in Österreich dominierte und besetzte, ist Ibiza. Das zeigte sich, als Falter-Chefredakteur Florian Klenk als Auskunftsperson den Untersuchungsausschuss im Parlament eröffnen durfte, um den Abgeordneten zu berichten, was man auf dem Video sieht. Eine Auszeichnung für den Falter, eine Beschämung des Parlaments. Denn die Polizei hat seit Wochen just dieses Video in ihrem Besitz. Die Abgeordneten konnten es nicht sehen, weil die ÖVP und ihr Innenminister sich nicht dazu durchrangen, das auch der Justizministerin zu sagen. Karl Nehammer eierte im Ausschuss zehn Minuten lang herum, bis er es zugab. Parteiräson geht vor Wahrheitsfindung, das ist der Verdacht, den selbst kleine Maxis wie ich da schöpfen.
Keine glänzenden Nachrichten also. Ich wünsche trotzdem eine feine Woche.
Ihr Armin Thurnher
Mit Raimund Löw zum Thema Der Aufstand gegen Rassismus. Warum in den USA der gewaltsamen Tod von George Floyd eine Massenbewegung gegen Polizeiwillkür ausgelöst hat. Zu hören: Menschenrechtsaktivist Bishop Garrison (Human rights first, Washington DC), Historiker Mitchell Ash (Universität Wien), Außenpolitikexperte Tyson Barker (The Aspen Institute, Berlin)
Ein sehr informierter Essay des englischen Journalisten und Soziologieprofesssors Gary Younge befasst sich mit der Frage, ob Europäer sich angesichts von US-amerikanischem Rassismus nicht mitunter selber überhöhen.
Eigenwerbung kommt nicht immer schlankfüßig einher. Hier wirbt sie aber für ein empfehlenswertes öffentlich-rechtliches Produkt, in dem ich nur als Auskunftsperson vorgeladen war: die Mediensendung Doublecheck von Stefan Kappacher und Nadja Hahn. Eines der Themen: wie umgehen mit Strache?