Andi Babler, die EU und meine Barbiepuppe - FALTER.maily #1101
Die Sache zwischen mir und der Europäischen Union begann mit großer Zustimmung. Irgendwann Anfang der 1990er-Jahre hatte mein Vater mich ...
Peter Iwaniewicz, der FALTER-Tierkolumnist, wusste mehr. Mein neuer Kumpel, schrieb er, sei ein "Gemeiner Sonnenbarsch, beziehungsweise Kürbiskernbarsch aka Lepomis gibbosus (lepos = Schuppe, poma = Deckel, gibbosus =bucklig)". Meine Begegnung sei interessant, schließlich sei der Sonnenbarsch kein "Hiesiger": "In seiner ursprünglichen Heimat Nordamerika ist der Gemeine Sonnenbarsch eine wichtige Beute." Durch seine hohe Reproduktionrate, erklärte der Biologe, "übt er in neu besiedelten Gebieten ... Druck auf Jung- und Kleinfische aus." Eine Hinzuziehen der FPÖ, beruhigte Iwaniewicz, sei nicht nötg: "Eine Verdrängung von einheimischen Arten ... konnte bisher nicht nachgewiesen werden."
Den blauen Fisch hatte ich in der Neuen Donau getroffen. Beim Freiwasserschwimmen sieht man dort etliche Insulaner: Wunderschöne Wasserschlangen. Vögel. Fische. Oder Biber. Denen weicht man aus: Auch friedliche Tiere schützen ihre Jungen und ihren Bau. In Oberösterreich kostete das im Vorjahr mehrere Hunde das Leben: Im Wasser ist der Biber stärker. Er wird sauer, wenn man ihm daheim auf die Pelle rückt.
Ähnlich geht es hier gerade auch Menschen. Denn so wie der Sonnenbarsch sind auch etliche Wienerinnen und Wiener neu an der Rinne. Denn obwohl die 21 Kilometer lange Insel über 30 Jahre alt ist, war man bisher sogar während des Donauinselfestes unterhalb der Reichs- und oberhalb der Nordbrücke ungestört. Doch seit Corona ist sogar der abgelegene Südzipfel bevölkert: Radfahrer, Spaziergänger und Familien mit Kindern trifft man tagsüber überall. Bei Nacht, bis in den Morgen, übernehmen dann große Party-Gruppen mit mobilen Soundsystemen.
Es sind Parallelgesellschaften, die nur der Ort verbindet: Serbische Spanferkel-Griller, Thai-Zocker, schwule Cruiser, aber auch Gay-Pride-Workshop-Gruppen, Sportler & Angler, Obdachlose, Spanner und FKK-Pensionisten rücken dichter und dichter zusammen. Spätestens im Hochsommer wird es eng sein: Mein "geheimer" Marillenhain (nein, ich sag nicht, wo) ist schon auf Instagram. Oberhalb des Wasserskiliftes kamen jüngst zu den Wind- auch Kitesurfer – exakt dort, wo viele Familien ins Wasser gehen, weil beim Stand-Up-Paddle-Verleih einer der wenigen Gratisparkplätze ist.
Der ist schon in der Früh überparkt. Aber nicht nur das: Am Sonnenbarsch-Morgen plauderte ich dort nach dem Training mit einem Surfer ("Heuer bleib ich im Sommer da"), als aus dem neben uns geparkten Lieferwagen protest-pumperte: "Gusch, es Heisln! Es ist ned amoi Ocht – mia schlof'n no!"
Ach ja: Hier wird in Lieferwägen und Campingbussen auch dauercampiert. Seit jeher. Weil auf Wiens schönstem Spielplatz so wenig los war, ging das: Jeder konnte sein Ding durchziehen – (fast) ohne Regeln und Aufpasser. Ob das im Corona-Sommer auch funktionieren wird? Ich hoffe es, zweifle aber daran.
Versuchen wir trotzdem, entspannt zu bleiben. Und vor allem: Freundlich.
Der Gemeine Sonnenbarsch und ich danken Ihnen dafür.
Ihr Tom Rottenberg
Es ist ja nicht so, dass ich die anderen Kolumnisten und Kolumnistinnen des FALTER geringschätzen oder etwa nicht lieben würde. Mitnichten! Aber während alle anderen immer wieder ins Rampenlicht gestellt, gepriesen oder – seltener – auch gezaust werden, wird das Loblied auf Peter Iwaniewicz und sein "Tier der Woche" öffentlich nur sehr selten laut angstimmt. Zu Unrecht. Denn die fast zurückhaltende aber immer liebe- und humorvolle Kompetenz, mit der der studierte Biologe das oft schwierige Verhältnis zwischen dem Menschen und dem Rest der Schöpfung in seinen fabelhaften Tiergeschichten reflektiert, gehört mit zum Schönsten, Gescheitesten und Durchdachtesten, was Ihre und meine Lieblingswochenzeitung zu bieten hat – und das seit 1993.
Auch diese Woche widmet sich Iwaniewicz den zentralen, nur scheinbar banalen, Fragen des Alltages – etwa wie und warum Silberfische ihren Weg zu uns finden. Und ganz abgesehen von dem, was Iwaniewicz da schreibt, macht mich vor allem das Wie auch diese Woche wieder einfach glücklich.
(Einige seiner schönsten "Tiere der Woche" hat Iwaniewicz übrigens schon 1997 im Kolumnensammelband "Bambi, Sau und Zeitungsente" im Falter Verlag herausgebracht – die Texte sind aber von zeitloser Schönheit. Sein aktuellstes Buch "Menschen, Tiere und andere Dramen" (2018) schlägt in die gleiche Kerbe, verrät aber auch, wie der Biologe zum FALTER-Kolumnenschreiben kam.
Im gestrigen Maily von Raimund Löw haben wir uns verrechnet; wir haben behauptet, 40 Acres entsprächen 40.000 Quadratmeter. Dabei entspricht ein Acre ganzen 4046,86 Quadratmetern. 40 Acres sind also 161.874 Quadratmeter.