Kurz und Ibiza - FALTER.maily #248

Florian Klenk
Versendet am 24.06.2020

während Sie diesen Newsletter lesen, bindet sich Sebastian Kurz die Krawatte für seinen heutigen Auftritt beim U-Ausschuss. Ich kann also nur rätseln, was er sagen wird, weil ich diesen Text stets am Dienstag schreibe. Meine Prognose: es wird heute ein leichtes Spiel für den Kanzler. Er wird erzählen, dass er nach dem Auftauchen des Ibiza-Videos „konsequent“ die Regierung gesprengt habe, dass alle Posten nach Qualifikation vergeben und keinerlei Korruption bei der ÖVP feststellbar sei.

Im Detail wird sich Kurz (so wie in der BVT-Affäre) leider nicht auskennen, er wird sich bei den Parlamentariern auch damit verantworten, dass er während der Corona-Krise wirklich besseres zu tun gehabt habe, als in alten Chats mit Strache zu surfen. Die Sozis hätten übrigens auch Jobs bei den Casinos bekommen (Hoscher! 600.000 Euro Urlaubsabfindung!) und die Förderungen des roten Landeshauptmannes Hans-Peter Doskozil an das blaue „Institut für Sicherheitspolitik“ (ISP) seien wirklich aufklärungsbedürftig. Wiedersehen, Blitzlichtgewitter.

So ähnlich wird Kurz das anlegen, vermute ich. Und tatsächlich: mit Ibiza hat er nichts zu tun. Ausser dass er diese rechtsradikale, korrupte, koksende, spesenschindende Partie, die unsere Steuergelder an eine Oligarchennichte schieben wollte, wenn sie sich die Kronen-Zeitung kauft, an die Macht brachte, um der jüngste Kanzler der Welt zu werden. Lustig ist nur, dass er sofort Silberstein hinter Ibiza vermutete, wie neu aufgetauchte Chats dokumentieren. Sie liegen der WKStA vor, aber nicht dem U-Ausschuss, weil sie nichts mit der Casino-Affäre zu tun haben, wie Staatsanwalt Matthias Purkert erklärte.

Kurz machte Straches Truppe also buchstäblich „salonfähig“ in bürgerlichen Kreisen. Und Teile der Wirtschaft begannen die Blauen (wieder einmal) auch finanziell auszustatten. Dank des Ibiza-Ausschusses wissen wir heute, dass Glücksspielfirmen (Novomatic), Waffenfirmen (Steyr Mannlicher) und Investmenthäuser (Turnauer) jene FPÖ-Vereine förderten, aus denen sich dann blaue Abgeordnete üppig bedienten. 1,2 Millionen flossen auf die Vereinskonten „am Rechnungshof vorbei“.

Markus Tschank etwa, einst FPÖ-Abgeordneter, gönnte sich als Vorstand des Vereins ISP nicht nur 30.000 netto pro Jahr, sondern auch 3000 netto an „Regiekosten“ für die Nutzung seiner Anwaltskanzlei durch sich selbst. Er ließ namens des Vereins "Gesprächsabende" abhalten und der Verein zahlte an Firmen, die das organisierten Vier Mal 15.000 Euro pro Abend. Das ist viel. Aber es saßen dort in den Firmen ja auch FPÖ-Freunderln wie Peter Sidlo (der später Casinos-Vorstand wurde) und der Pressesprecher der Novomatic, Bernhard Krumpel. Die Partei als Organisation ging leer aus, nur die Mitglieder profitierten.

Etwas Schönes habe ich in den Akten übrigens auch entdeckt. 583 Euro ersetzte der Verein ISP seinem Vorstand Tschank für einen Abend in der Nobelplüschbar Eden. Wenn man weiß, dass Novomatic-Chef Harald Neumann bei Tschank für seinen Filius interventierte (damit er in die richtige Kaserne kommt), fallen einem gleich Bronner und Qualtinger ein. Da Papa wird’s schon richten.

Starten Sie mit diesem Lied in diese wunderbaren Tag!

Ihr Florian Klenk


Skandal Der Woche

Ich habe zwar keine neuen Chats aus dem U-Ausschuss anzubieten, aber Nachrichten aus dem Strafvollzug. Der Leiter des Sozialen Dienstes einer Justizanstalt bemächtigte sich eines Nacktfotos der Ehefrau eines Insassen, schickte ihr ein Penisfoto und 63 anzügliche Chatnachrichten, da sie ja „auf sexueller Sparflamme lebe“. Der Mann wurde nicht angeklagt und auch nicht entlassen. Er ist weiter Leiter des Sozialen Dienstes. Diese Geschichte hätten sich Elfriede Jelinek und Thomas Bernhard nicht besser ausdenken können.


Worüber Sie Lachen Werden

Vergeht Ihnen das Lachen bei soviel Kameraderie, Filz und Korruption? Keine Sorge. Florian Scheuba und ich lockern sie wieder auf. Der Staatskünstler und ich treten dieses Jahr noch einige Male auf, um dem Land die Korruption zu erklären. Weil die Bühnen derzeit wegen Corona geschlossen sind, haben wir unser Volksbildungsprogramm in den Falter-Podcast verlegt. Hier gibt’s eine Viertelstunde „Sag Du, Florian“.  Viel Spaß dabei.


Was Sie Lesen Sollten

Die Stadt bereitet sich auf den Wahlkampf vor. Wir liefern dazu drei Texte. Der erschlankte Altbürgermeister Michael Häupl traf im Falter auf den ehemaligen grünen Planungssprecher Christoph Chorherr, um über 10 Jahre Rot-Grün zu debattieren. Das Gespräch gibt es ab Donnerstag auch als Podcast.

Nina Horaczek analysiert in einem Kommentar die Lage, "mehr rot-grüner Mut täte Wien sehr gut", schreibt sie. Und ich traf einen bemerkenswerten Visionär: Hermann Knoflacher. Der Verkehrsplaner, der einst als Autohasser verschrien war, erweist sich heute als Visionär einer Sanften Mobilität. Ich sprach mit dem bald 80 Jahre alten verschmitzten Professor über 50 Jahre Verkehrspolitik und sein „Gehzeug“. Ein beeindruckender Mann. Lesen Sie rein. Ein Gefühl für den Visionär Knoflacher gibt auch dieses kurze Video, das wir produziert haben.


Das FALTER-Abo bekommen Sie hier am schnellsten: falter.at/abo
Wenn Ihnen dieser Newsletter weitergeleitet wurde und er Ihnen gefällt, können Sie ihn hier abonnieren.
Weitere Ausgaben:
Alle FALTER.maily-Ausgaben finden Sie in der Übersicht.

12 Wochen FALTER um 2,50 € pro Ausgabe
Kritischer und unabhängiger Journalismus kostet Geld. Unterstützen Sie uns mit einem Abonnement!