Tagebücher

Barbara Toth
Versendet am 26.06.2020

das mit dem Erinnern ist so eine Sache, das merken wir gerade auch im Ibiza-Untersuchungsausschuss. Was täten Politiker ohne digitale Stützen für ihren lückenhaften Blick zurück? Was früher Tagebücher und Archivmappen waren, sind heute Smartphones mit ihren Kalendern, Mail-Accounts, SMS-, WhatsApp- und Signal-Chats.

Als Historikerin finde ich es faszinierend zu beobachten, wie Zeitgeschichte peu à peu entsteht. Der Ibiza-Ausschuss ist ein Beispiel für eine solche erste Phase der Aufarbeitung und Historisierung. Die berichtenden Journalistinnen und Journalisten schaffen mit ihren Artikeln und Kommentaren in diesen Tagen wichtige Quellen für die politischen und historischen Wissenschaften, die dann erst im Abstand von mehreren Jahren, oft Jahrzehnten über den Ibiza-Skandal oder die Corona-Pandemie forschen werden - und beiden vielleicht andere Namen geben werden.

Ist Ihnen bewusst, dass praktisch jede Redaktion des Landes (der Falter ausgenommen) nach wie vor in Kurzarbeit ist? Dass die Regierung durch Förder- und Inseratenvergabe den Boulevard unterstützt und Qualitätsblätter links liegen lässt? All das geschieht in einer gesellschaftspolitisch hochsensiblen Phase, in der der zweite, dritte Blick hinter die Kulissen besonders wichtig wäre, gerade auch für die spätere Einordnung und Bewertung.

Für die Corona-Auszeit fehlt es nach wie vor an Daten, Einblicken und Transparenz, wie wir hier, hier und hier und ganz früh auch schon hier beschrieben haben. Gut, dass heute zwei sehr spannende Bücher erscheinen, die ich Ihnen empfehlen möchte. Michael Fleischhacker und sein Addendum-Team haben ihre Corona-Recherchen verdichtet: "Corona. Chronologie einer Entgleisung". Und Public Health-Experte Martin Sprenger, den sie letzte Woche am Falter-Cover gesehen haben, hat "Das Corona-Rätsel. Tagebuch einer Pandemie" geschrieben. Beide kriegen sie auch im Falter-Shop!

Alles Liebe,

Ihre Barbara Toth


Einladung

Leben Sie in Wien? Dann flatterte Ihnen in den letzten Tagen auch der 25 oder 50-Euro Essensgutschein der Stadtregierung ins Postfach. Es gibt auch schon einen Handel auf willhaben.at damit, das war erwartbar. Wer den Gutschein sinnvoll weitergeben will, kann ihn bei einer der Obdachloseneinrichtung der Caritas vorbei bringen, etwa der Gruft oder der Sozialberatung beim Hauptbahnhof in der Mommsengasse 35 oder per Post schicken an: Caritas Erzdiözese Wien, Albrechtskreithgasse 19-21, 1160 Wien. Auch die Volkshilfe Wien freut sich: Volkshilfe Wien, Weinberggasse 77, 1190 Wien


Empfehlung

Wir haben eine besondere Ausgabe unseres Buchpodcasts "Besser lesen mit dem FALTER" für Sie, es geht nämlich um Literatur in einfacher Sprache. Hauke Hückstädt, Herausgeber des Buchs und Chef des Frankfurter Literaturhauses, konnte für die Literatursammlung "LiES! Das Buch" eine Reihe prominenter Autorinnen und Autoren gewinnen, zum Beispiel Nora Bossong, Alissa Walser oder die Österreicherin Anna Kim. Zu hören ist in der Folge nicht nur Hückstädt, sondern auch Arno Geiger, der ebenfalls eine Kurzgeschichte beigesteuert hat. Und Florian Klenk empfiehlt dann noch zwei seiner liebsten Bücher. Den Podcast gibt es wie immer auf falter.at/buchpodcast oder in Ihrer Podcast-App.


Noch Eine Empfehlung

Politisch wird es dann natürlich in der aktuellen Folge unseres Podcasts "Falter Radio". Sie hören die Langversion des Interviews mit Altbürgermeister Michael Häupl und dem früheren Wiener Gemeinderat Christoph Chorherr, in dem die beiden über zehn Jahre Rot-Grün bilanzieren. Die beiden werden befragt von Raimund Löw, FALTER-Chefreporterin Nina Horaczek und FALTER-Redakteurin Eva Konzett über die Höhen und Tiefen der Stadtpolitik, die schwache Integration der vielen migrantischen Wiener und die Errungenschaften bei Wohnbau und Verkehr. Zu hören auf falter.at/radio oder in Ihrer Podcast-App.


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"FALTER Arena - Journalismus live" - Baumann/Klenk/Niggemeier/Thür - 1. Oktober, Stadtsaal
Diskussion zum Thema "Lügenpresse? Die Vertrauenskrise des Journalismus"