Andi Babler, die EU und meine Barbiepuppe - FALTER.maily #1101
Die Sache zwischen mir und der Europäischen Union begann mit großer Zustimmung. Irgendwann Anfang der 1990er-Jahre hatte mein Vater mich ...
im Spätsommer des vergangenen Jahres hatte Kollege Josef Redl einen großen publizistischen Erfolg zu verzeichnen, er schrieb die Geschichte, die im letzten Jahr am meisten gelesen wurde. Ein Whistleblower hatte Redl die Buchhaltungsdateien der ÖVP zugesteckt und darin waren drei relevante Geschichten zu finden.
Erstens: die ÖVP hatte die Wahlkampfkostengrenze überschritten – und zwar massiv. Sie plante zudem erneut eine Verletzung des Fairness-Abkommens der Parteien im Wahlkampf.
Zweitens: die ÖVP hatte Großspender nicht deklariert, in dem sie deren Spenden in kleinen Scheinen annahm (Heidi Horten).
Drittens: die Partei war de facto pleite und schnorrte Pensionisten an, die Führungsriege feierte dennoch Parties bei Martin Ho. Man gönnt sich ja sonst nichts.
Redl und sein Team recherchierten all diese Geschichten nach bestem Wissen und Gewissen, aber Sebastian Kurz patzte uns an und sagte im Kurier wahrheitswidrig, die Unterlagen seien gefälscht oder von uns manipuliert.
Und da kam ihm auch schon Michael Jeannée zu Hilfe. Weil wir die - von der Krone unterstützte - ÖVP kritisierten, schleuderte der Kolumnist eine Orgie an Beschimpfungen gegen mich persönlich. Und das mit Wissen und Wollen von Krone-Chefredakteur Klaus Herrmann, der sein Blatt nach der Ibiza-FPÖ-Blamage als "unabhängig" positionieren wollte (vorher machte Herrmann Strache den Hof). Herrmanns Kollegen rieten sogar, Jeannées Kolumne nicht zu drucken, sie gehe zu weit. Doch Hermann schickte sie weg.
Herr Jeannée nannte mich daher vor drei Millionen Lesern wegen unserer ÖVP-Recherchen:
„gefährlicher Diffamierer“,
„ruhigstimmiger Verbreiter von Halbwahrheiten, Dreistigkeiten, Unwahrheiten“.
„Meister zwielichtiger Tricks“,
„Schmutzkübel- und Anpatzerchef“,
„skrupelloser Intrigant“,
„unermüdlicher Wiederkäuer von Nachrichten und Recherchen, die er in den Raum stellt und genau weiß: So absurd sie auch sein mögen – irgendwas wird schon hängenbleiben“.
„Eine Figur, die trotz ihrer Bedeutungslosigkeit diesen Wahlkampf prägt“.
„Eine verderbte Figur“.
Und dann stellte er noch - sprachlich geschickt - sexuellen Missbrauch in den Raum. Der einzige Unterschied zwischen mir und Peter Pilz sei, dass gegen mich "nie wegen sexueller Belästigung ermittelt worden ist“. Elegant unterschob er damit, dass das schon noch kommen werde, dass ja nur die Ermittlungen fehlen, aber nicht die Tat.
Ich habe Michael Jeannée angeklagt. Wegen Beleidigung und übler Nachrede. Ich wollte eine rote Linie ziehen, weil solche Kolumnen den Diskurs verrohren, weil sie etwas zerstören. Ja, ich hatte gehofft, dass sich die Krone-Chefs entschuldigen und eine Spende an eine NGO leisten. Anfang September 2019 war das. Aber weder Christoph Dichand noch Klaus Herrmann entschuldigten sich. Im Gegenteil, sie traten nach, sie machen Jeannée die Mauer. Sie vergleichen mich sogar mit ihm. Aber im Grund war ihnen das alles vermutlich wurscht.
Vergangenen Montag, neun Monate später, hielt ich das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen in Händen. Und ich gebe zu, mir stand der Mund offen. Das Gericht machte Jeannée auch die Mauer. Fast alle seine Beschimpfungen seien „berechtigte Werturteile“ und keine „Wertungsexzesse" und „eine sachbezogene Kritik an der Berichterstattung des Falter und Dr. Klenk“. (Der Doktortitel muss natürlich sein, wir sind in Österreich.)
Nur als „verderbte Figur“ müsse ich mich nicht beschimpfen lassen, da gab mir Richter Hartwig Handsur recht. Deshalb muss Jeanne 6000 Euro Entschädigung und 9000 Euro Strafe wegen Beschimpfung bezahlen. Ein Griff in die Portokasse.
Wie sagte der am Beginn des 20. Jahrhunderts lebende Anwalt und Justizkritiker Walther Rode: bei der Wiener Strafjustiz weiß man nicht, ob man die richtige oder die falsche Anwendung des Gesetzes beklagen soll.
Wir gehen in die nächste Instanz. Armin Thurnher hat die Sache hier kommentiert.
Ihr Florian Klenk
Sind Sie auch verwirrt von den vielen großen und kleinen Dingen, die rund um Sie geschehen? Blicken Sie nicht mehr durch?
Wer demonstriert in Wien-Favoriten und gegen wen und was haben die Türken und die von der FPÖ attackierte grüne Vizebürgermeisterin Birgit Hebein damit zu tun? Warum soll uns interessieren, was in der Fleischfabrik Tönnies in Deutschland geschieht? Und wie ist das jetzt mit dem Ibiza-Ausschuss, wer geht hier wem am "Oarsch", um die Neos-Abgeordnete Steffi Krisper zu zitieren?
Der Falter versucht Woche für Woche aufzuklären, jenen den Überblick zu verschaffen, die keinen Durchblick mehr haben.
Lukas Matzinger ist einige Tage mit den Grauen Wölfen, österreichischen Rechtsextremisten türkischer Herkunft, durch den zehnten Bezirk gezogen. Seinen Bericht lesen Sie hier. Gerlinde Pölsler und Eva Konzett haben Arbeiter in deutschen und österreichischen Schlachthöfen interviewt und ergründet, wie ein Schnitzel entsteht. Als Gastautor für den Ibiza-Ausschuss konnten wir Florian Scheuba gewinnen, Österreichs einzigen investigativen Kabarettist. Er hat das getan, was man eigentlich von Tageszeitungs-KollegInnen erwarten würde - er erklärt den U-Ausschuss nicht zum Kasperltheater, sondern ordnet ihn ein, erstaunlich sachkundig und trotzdem kurzweilig. Seinen Bericht finden Sie hier.
Ich möchte Ihnen noch ein schönes Buch ans Herz legen. Jeden Monat erscheint im Falter-Feuilleton bekanntlich die Rezension über den "Klassiker des Monats". Vor kurzem besprach Sebastian Fasthuber die neue Übersetzung von Daniel Defoes epochaler Reportage "Die Pest in London". Wer in diesem Buch versinkt, findet sich wie nach einer Reise mit einer Zeitmaschine ins London des ausgehenden 17. Jahrhunderts versetzt.
Wie haben die Menschen damals die Pandemie erlebt? Welche Gesetze wurden erlassen und wie wurden sie umgangen? Lesen Sie diesen atemberaubenden Bericht.
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Wie der ÖGB der Regierung Dampf machen will, darum geht es in der neuen Folge des Falter Radio. Ein Gespräch von ÖGB-Chef Wolfang Katzian mit Robert Misik zu den Zwängen für Arbeitnehmer im Corona-Wirtschaftseinbruch. Eine Veranstaltung des Bruno Kreisky Forums, zu hören auf falter.at/radio oder in Ihrer Podcast-App.