Spielzeugsoldaten

Lukas Matzinger
Versendet am 13.07.2020

Es ist die Kunst der Klaudia Tanner, neben Sitznachbarn wie dem vergesslichen Philosophen Gernot Blümel und der auf Autopilot fahrenden Unternehmensberaterin Christine Aschbacher als besonders ungeeignet für einen Ministerplatz zu gelten.

Seit einem halben Jahr ist die frühere Direktorin des niederösterreichischen Bauernbundes Verteidigungsministerin. Ihr erster Programmpunkt war das Lockern der Tauglichkeitskriterien (nicht ihrer eigenen), die noch mehr wirkungslose Grundwehrdiener in die Kasernen spülen wird. Im Sommer geriet das türkise Krisenteam dann in Schwierigkeiten und Sebastian Kurz in den Ibiza-Untersuchungsausschuss – es war Zeit für den großen Aufschlag Tanners.

In einem Hintergrundgespräch im Café Bendl präsentiere ihr Stabschef Radikales: Tanner werde das Bundesheer hinsichtlich "einsatzwahrscheinlichster Szenarien" aufstellen. Die Armee ist also nicht mehr die Streitkraft für unwahrscheinliche Härtefälle, sondern besinnt sich auf Assistenzen. Die militärische Landesverteidigung ist offenbar zu teure Folklore, die Bedrohungsanalyse folgt dem geringen Budget und nicht umgekehrt, auch bereits genehmigte Anschaffungen liegen auf Eis. Cyberabwehr und Katastrophenschutz sind die Modebegriffe für das neue Heer.

Ein Besuch beim besorgten Bundespräsidenten zügelte dann Tanners Reformeifer, die Motive aber blieben: Die alten Düsenflugzeuge Saab 105 bekommen keine Nachfolger, soll sich der Luftraum eben selbst überwachen. Außerdem werde das Bundesheer bis zu fünf Prozent seiner Flächen "für sozialen Wohnbau abtreten". Der Finanzminister wird also über die Bundesimmobiliengesellschaft sogar noch am Heer verdienen?

Offenbar ist das österreichische Bundesheer nicht mehr vorrangig die Streitmacht der Republik Österreich, sondern ein weiteres Werkzeug der türkisen Machtlogik. Hinter Klaudia Tanner steht übrigens Katharina Nehammer, die Frau des Innenministers Karl ist stellvertretende Kabinettschefin und wichtige Einflüsterin der Ministerin.

Apropos Werkzeuge türkiser Machtlogik: Am Sonntag erfuhr Klaudia Tanner in einer schönen Krone-Bunt-Geschichte ("Die eiserne Lady") Gerechtigkeit. Die Autorin betont den "Modemut" der Ministerin und fragt kritisch, ob ihr das Landwirtschaftsressort nicht eher läge. "Nein, das wäre keine Herausforderung mehr für mich gewesen. Ich wollte wieder etwas als erste Frau machen und Vorreiterin sein. "

Um das Militär ist es den Türkisen nie gegangen.

Ihr Lukas Matzinger


Zur Ermunterung

Die harmlose Sonntagsillustrierte Krone Bunt war immer über politische Parteinahme erhaben. Deshalb hat sie auch nicht am 8. August 1999, zwei Monate vor der Nationalratswahl, das schwarze Spitzenpersonal (anlässlich eines als Wahlkampfgag veröffentlichten Volksliederbuchs) in diesem kuriosen Cover inszeniert.


Zum Hören

2020 ist das Jahr, in dem der Dalai Lama, Willie Nelson und Bob Dylan neue Studioalben aufgenommen haben. Noch ein Großer spielt noch weiter: Der deutsche Klamaukbevollmächtigte Helge Schneider hat am Freitag den digitalisierungskritischen Jazzspaß Ich setz mein Herz bei Ebay rein hochgeladen.


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