Andi Babler, die EU und meine Barbiepuppe - FALTER.maily #1101
Die Sache zwischen mir und der Europäischen Union begann mit großer Zustimmung. Irgendwann Anfang der 1990er-Jahre hatte mein Vater mich ...
manchmal möchte man meinen, die Menschheit leide an kollektiver Amnesie. Vielleicht liegt es aber auch an der zusehends schrumpfenden Aufmerksamkeitsspanne (laut einer Studie von Microsoft lag diese 2015 bei durchschnittlich acht Sekunden – also einer weniger als beim Goldfisch –, dabei waren es im Jahr 2000 angeblich noch zwölf). Oder liegt es an dem Mechanismus, den Sigmund Freud einst als Verdrängung definierte: dem Abschieben bedrohlicher, unangenehmer oder schmerzlicher Erfahrungen ins Unbewusste? Eine dieser Abwehrreaktionen dürfte jedenfalls eingesetzt haben, als der Dachverband der Sozialversicherungen Ende Juni beschloss, heuer kein Budget für die HIV-Prävention bereitzustellen.
Offenbar braucht es eine – in weniger als acht Sekunden erfassbare – Erinnerung an die aktuelle HIV-Situation: Laut UnAIDS, einem Projekt der Vereinten Nationen, lebten 2019 weltweit 38 Millionen Menschen mit dem HI-Virus, 690.000 Menschen starben an den Folgen von Aids und geschätzte 1,7 Millionen steckten sich im Vorjahr mit HIV an. Rund 13.600 HIV-positive Menschen leben derzeit in Österreich. Laut dem Jahresbericht des Zentrums für Virologie der Medizinischen Universität Wien wurden im Vorjahr 430 HIV-Infektionen neu diagnostiziert. Das sind um 33 Fälle mehr als 2018.
Immerhin ruderte der Verband in den vergangenen Tagen von der geplanten Streichung der Mittel zurück, dennoch zeigt sich wieder einmal, dass in Österreich in Sachen HIV-Prävention Vieles im Argen liegt: Nicht nur, dass der Hauptverband der Sozialversicherungsträger im Vorjahr ablehnte, HIV-Tests auf Kosten der Krankenkasse durchzuführen; das Budget, das man heuer bei Präventionsprojekten einsparen wollte und nun aufgrund öffentlicher Kritik schnell doch noch genehmigt hat, beträgt lächerliche 50.000 Euro. Zwar ist der Hauptfördergeber der Aids Hilfe-Vereine das Gesundheitsministerium, und der Betrag somit nicht lebensnotwendig – die Informationen, die mit den durch ihn ermöglichten Projekten transportiert werden, sind es aber schon.
Es habe keine Projektvorschläge von den heimischen Aids Hilfe-Vereinen gegeben, entschuldigte der Dachverband sein Vorgehen. Und tatsächlich muss man sagen: die heimischen Vereine treten bedeutend weniger öffentlichkeitswirksam auf, als beispielsweise die Deutsche oder die Schweizer Aids Hilfe. Dennoch heißt es vonseiten des größten österreichischen Vereins, der Wiener Aids Hilfe, man habe in den vergangenen vier Jahren erfolgreiche Präventionsprojekte mit Unterstützung der Sozialversicherungen umgesetzt und hoffe auch in Zukunft darauf. Denn im Gegensatz zu Covid gibt es bei HIV keine genesenen Patienten: HIV ist nach wie vor eine chronische Erkrankung, die unbehandelt tödlich ist.
Bleiben Sie gesund,
Ihre Birgit Wittstock
Wie lebt es sich heute mit HIV in Österreich? Diese Frage habe ich mir 2018 gestellt und den damals noch unter dem Pseudonym "Philipp Spiegel" arbeitenden, HIV-positiven Künstler und Fotografen Christopher Klettermayer mehrere Monate begleitet. Er ließ mich tief in sein Leben blicken. Und weil das Virus kurz darauf in meinen Freundeskreis eindrang, begleitete Philipp plötzlich mich mehrere Monate. Das Ergebnis können sie hier und hier nachlesen.
Und weil kurz danach der letzte Life Ball stattfand, erzählte "Philipp" auch in unserem Podcast vom Leben mit HIV.
Die AIDS-Pandemie der 80er und 90er Jahre hat einige große Künstler das Leben gekostet. Rock Hudson, Keith Haring, Freddie Mecury. Der Queen-Sänger starb 1991 an den Folgen seiner AIDS-Erkrankung. Auf Arte können Sie bis zum 26.7. (noch einmal) das legendärste Konzert der Band sehen: Als Queen am 12. Juli 1986 70.000 Fans im Londoner Wembley Stadion gerockt hat.
Zu den Risiken einer zweiten Corona-Welle war Gesundheitsminister Rudi Anschober im FALTER-Radio zu Gast. Mit der Politikwissenschaftlerin Barbara Prainsack sowie den Journalistinnen Melisa Erkurt und Eva Linsinger sprach er im FALTER-Podcast bei Raimund Löw über das Corona-Ampelsystem und die Sorge vor dem Comeback des Patriarchats. Die Aufzeichnung des Gesprächs können Sie hier nachhören und hier nachsehen.
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Im gestrigen Maily ist uns ein kleiner Fehler unterlaufen: Aus Julius Evola wurde Julius Ebola. "Ein sehr zeitgemäßer Tippfehler", schreibt der Leser, den ihn entdeckt hat. Wie Recht er doch hat.