Wirtschaftspartei ÖVP - FALTER.maily #278

Florian Klenk
Versendet am 29.07.2020

Walter Rothensteiner, Generalanwalt des Raiffeisenverbandes, ist als Aufsichtsratschef, also als oberstes Kontrollorgan der Casinos Austria AG, zurückgetreten.

Er wolle sich, so ließ er verlauten, den U-Ausschuss und die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen "nicht mehr antun".

Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen.

Der oberste Kontrollor eines Konzerns der zu 33,2 Prozent im Staatseigentum steht, wirft hin, weil ihm Kontrollgremien in Nationalrat und Justiz Fragen stellen.

Unter Rothensteiners Aufsicht sind die Casinos kaputt geritten worden, während sich das Management (bestehend aus roten, schwarzen und blauen Parteigünstlingen) die Taschen vollstopfen konnte. Jetzt, während der Corona-Krise, wird das offenbar. Das neue Management hat angekündigt 500 von rund 1700 Mitarbeitern abzubauen, auch Gehaltskürzungen stehen an. 2019 verzeichnete der Konzern noch einen Gewinn von 112 Millionen Euro.

Man muss das in Relation zu den Gehältern der Vorstände setzen, die Rothensteiner genehmigte. Die Vorstandschefin Bettina Glatz-Kremsner hatte 1,6 Mio. Euro "Abfertigung" bekommen, als sie von der Position der Finanzvorständin an die Vorstandsspitze wechselte. Offizielle Begründung: Im alten Job hatte sie ja Anspruch auf 400.000 Euro brutto und einen Bonus, der ein Vielfaches davon betrug. Im Jahr 2017 kassierte sie etwa 1,8 Millionen Euro. Als Vorstandschefin erhält sie dagegen "nur" 700.000 Euro brutto im Jahr und einen Bonus, der mit einem Jahresgehalt gedeckelt ist. Bettina Glatz-Kremsner war im Nebenjob übrigens ÖVP-Vize-Chefin

Oder Dietmar Hoscher, einst im Kabinett von Finanzminister Rudolf Edlinger und SPÖ-Abgeordneter zum Nationalrat. Seine Jahresgage samt Bonus betrug 1,6 Millionen Euro. Der Umstand, dass er den Casinos Vorstand verließ, um weiter im Unternehmen zu arbeiten, kostete die Firma mehr als 4 Millionen. 600.000 Euro flossen für die Auszahlung seines nicht konsumierten Urlaubs. Zum Draufzuckern bekommt er noch eine Rente der Österreichischen Nationalbank von 50.000 Euro im Jahr.

So haben sie alle unter Rothensteiners Aufsicht abgecasht. Und dann hatte Rothensteiner auch noch den Alsergrunder FPÖ-Bezirksrat Peter Sidlo im Vorstand akzeptiert, offenbar wissend, dass der Mann nur aufgrund eines "Hintergrunddeals der Novomatic mit den Blauen" seinen Job bekommen hatte, wie Rothensteiner es in seinem Kalender notierte. Anstatt zurückzutreten, genehmigte er den Deal.

Bleibt eine Frage: wer hat eigentlich auf Rothensteiner aufgepasst? Es war Thomas Schmid, der Chef der Österreichischen Bundesbeteiligungsagentur und ehemalige Finanz-Generalsekretär unter ÖVP-Finanzminister Hartwig Löger. Schmid hatte sich selbst auf den ÖBAG-Job gehievt, wie Chats und Emails nahelegen. Gegen ihn und Walter Rothensteiner laufen nun Strafverfahren wegen Beihilfe zur Bestechung.

So schaut das aus in Österreich, wenn die Wirtschaftspartei ÖVP fuhrwerkt. Man muss dem U-Ausschuss im Parlament, aber vor allem der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft dankbar sein, dass sie das alles erhoben und in Akten festgehalten hat. Und es wird klar, wieso sich ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz so massiv auf die Korruptionsbehörde eingeschossen hat. Sie legt Gier, Freunderlwirtschaft und Misswirtschaft offen - auf unser aller Kosten.

Ihr Florian Klenk


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