Je suis SPÖ - FALTER.maily #1050
Bevor China die schlimmsten Seiten von Kommunismus und Kapitalismus zur Nationalphilosophie erhob, gab es dort einige interessante Denker. Huainanzi ...
der Duden gibt an, dass ein Enfant terrible, wörtlich übersetzt "schreckliches Kind", jemand sei, "der gegen die geltenden [gesellschaftlichen] Regeln verstößt und dadurch seine Umgebung oft schockiert oder in Verlegenheit bringt."
Bezeichnet man jemanden als "Enfant terrible", dann ist immer auch ein Schuss Hochachtung und ein bisschen Verharmlosung dabei. Der Ausdruck impliziert, dass Grenzen schließlich dazu dazu da seien, überschritten zu werden. Wo käme man denn sonst hin, vor allem in der Kunst? Ganz bestimmt nirgendwohin, darin ist man sich wissend nickend einig und schaut dem "Berserker", wieder so ein Wort, bewundernd zu. Dass die Art der Grenze von Bedeutung ist, fällt dabei oft unter den Tisch. Grenzenlose künstlerische Qualität, grenzenlos viele Ideen – wie schön. Die persönlichen Grenzen anderer Menschen auszureizen oder zu überschreiten, seien es psychische oder physische, ist wohl eher nicht verehrenswert.
Der Theatermacher Paulus Manker, so hat es den Anschein, gefällt sich als Enfant terrible. Für die Performance als solche ist ihm der Applaus sicher. Etwa wenn er in der Sendung "Willkommen Österreich" zu Gast war. Ob es stimme, dass er, als das Telefon eines Besuchers geläutet habe und dieser sogar abgehoben habe, auf dem Handy der Person herumgetrampelt sei? "Nein, ich habe es durch das geschlossene Fenster geschossen." Was für eine Tat! Gelächter, Applaus. Sein Menschenbild liefert Manker auch gleich mit: Die Leute seien schließlich wie Kinder, wenn man ihnen Freiheiten gebe. Wenn man ihnen aber auf den Kopf haue, "wie der Kasperl aufs Krokodil, machen sie uh, es steht in der Zeitung und von da an waren alle wie die Lamperl. Das ist ein bissi kindisch, aber so funktioniert die Menschheit."
Auch die schlechten Scherze kamen gut an: "Was ist der Unterschied zwischen Sushi und Muschi? Der Reis."
Oder 2018, eine weitere Humorprobe. Jeder solle doch einmal im Leben einen Privatkonkurs hinlegen. "Du hast Schulden, du bietest eine Quote an. Zehn, 15, 20 Prozent. Du zahlst und du hörst von dem Rest nie wieder was." Man müsse nur die Nerven bewahren, denn man werde kurzzeitig entmündigt. Welch feine Satire.
Dem Schauspieler Manuel Bräuer ist das Lachen vergangen. Er schildert im aktuellen Falter, was es bedeutet, für das Enfant terrible Paulus Manker zu arbeiten. Seit er mit seinem Bericht an die Öffentlichkeit gegangen ist, wollen viele seinem Beispiel folgen. Aber lesen Sie selbst. Diese und nächste Woche im Falter.
Ihre Stefanie Panzenböck
Paulus Manker hat auf die Vorwürfe geantwortet. Das Interview können Sie hier nachlesen. Über den Werdegang Paulus Mankers werden Sie hier informiert. Und warum die Arbeitsverträge, die Paulus Manker seinen Schauspielerinnen und Schauspieler vorlegt, "nahe am Lohnwucher" sind, wie Anwalt Wolfgang Renzl sagt, ist hier erklärt.
Nachdem der erste Teil der Wiener Festwochen heuer digital abgehalten wurde, starten kommende Woche die Live-Produktionen unter dem Titel "reframed". Eröffnet wird dieser zweite Teil von der 60-jährigen zeitgenössischen Choreografin Anne Teresa De Keersmaeker mit der Uraufführung eines Bach-Solos. Für die aktuelle FALTER:WOCHE sprach sie mit Martin Pesl über ihre lange Karriere, über Krisen und ihre Ehe mit dem Tanz: "Die Pandemie ist die Klimakrise im Körper."
Zeitlos und großartig: Joseph Roths "Radetzkymarsch". Hier können Sie das Buch im Falter Shop bestellen.
Großartig und erstaunlich: Die Schauspielerin Erni Mangold in Houchang Allahyaris Film "Der letzte Tanz" aus dem Jahr 2014.