Je suis SPÖ - FALTER.maily #1050
Bevor China die schlimmsten Seiten von Kommunismus und Kapitalismus zur Nationalphilosophie erhob, gab es dort einige interessante Denker. Huainanzi ...
der Sommer von 2015 bleibt eine merkwürdige Episode in unserer Geschichte. Man kann ihn wohl den Sommer der Empathie nennen. Die Freude am Helfen schien zunächst unbezwingbar. Aber schnell wurde sichtbar, dass sich demokratische Staaten in der Flüchtlingsfrage überschätzt hatten. Vor allem hatten sie die Sprengkraft des Themas unterschätzt, das Rechte und Rechtsextreme konsequent benützten, um an die Macht zu kommen.
Die Erinnerung daran, wie schnell ein Kanzler wie der Sozialdemokrat Werner Faymann, der sich als Europäer und Willkommenspolitiker (welch ein Wort!) versucht hatte, von der Kronen Zeitung auf den rechten Weg gezwungen und dann von den Parteifreunden am 1. Mai weggepfiffen wurde, ist in vielerlei Hinsicht beschämend.
An den letztklassigen Billigklamauk, mit dem sich die Rechten hinter Heinz-Christian Strache, Herbert Kickl und Norbert Hofer unaufhaltsam an die Spitze der Republik zu krakeelen schienen, erinnert man sich ebenso ungern. Der Zweiwort-Wahlkampf des Sebastian Kurz bietet der Erinnerung keinen Trost: Balkanroute, Silberstein. Das, wie es heißt, größte politische Talent der Neuzeit verdankt seinen Aufstieg einer disziplinierten verbalen Beschränkung bei der Mobilisierung von Fremdenangst. So wurde er zum Unwillkommenskanzler. "Ich lade Sie ein, umzukehren", diese gemeinste aller Formulierungen, hatte schon ein Jahrzehnt zuvor sein Parteikollege, der Innenminister Ernst Strasser gefunden.
Schnee von gestern? Die Europäische Union ist wegen des Missbrauchs der Flüchtlingsfrage in Geiselhaft von rechtsextremen Politikern, und das in einer weltpolitisch prekären Lage: China und Russland autoritär regiert, die USA von innen zerfressen, Lateinamerika desolat, und alles gekrönt von der schlimmsten Pandemie seit 1918.
Da tut es gewiss gut, sich zu erinnern, worum es 2015 ging. Das versucht der heute erschienene Falter. Es ging um Menschen, die vor einem Krieg flüchteten. Wie schrecklich dieser Krieg ist, wie unmenschlich die Diktatur Bashar al-Assads, zeigt eine Ausstellung in Wien, die Lukas Matzinger besucht hat. Wie die Flüchtlinge aus Syrien, aber auch aus dem Irak, dem Iran und Afghanistan Wien verändern, zeichnet Nina Horaczek in Daten und Fakten nach. Und von jenen guten Menschen, die damals als erste halfen und sich engagierten, berichtet Anna Goldenberg.
Denn bei allem darf man nicht vergessen, dass den lautstarken rechten Krakeelern eine starke, engagierte Zivilgesellschaft gegenübersteht, vielleicht weniger laut, aber nicht weniger kräftig.
Helfen kann zum Syndrom werden, es ist politisch naiv und was weiß ich. Ich ziehe es noch immer dem harten Zug zur Macht oder dem zügigen Abstieg in die Korruption vor. Beides lässt sich oft genug auf der Seite der coolen Larrys beobachten, jener Leute, die meinen, ohne gesunde Härte gehe es in der Politik nicht. Es stimmt schon, manchmal braucht es Härte. Nicht alle, die da zu uns migrieren, haben lautere Absichten oder Motive. Der syrische Attentäter von Graz hatte keine. Bei Islamismus gibt es keinen Grund, ein Auge zuzudrücken.
All das darf uns zwei Dinge nie vergessen lassen. Erstens: Sie flüchten vor Elend, Krieg, Armut und schon in Syrien auch vor der Klimakatastrophe. Die wenigsten verlassen ohne Not ihre Heimat. Zweitens aber enthebt uns keine Realpolitik der Welt der Verpflichtung zur Menschlichkeit. Europa ist der Kontinent der Menschenrechte (wer hat’s erfunden?) und des Rechtsstaats. Um sie geht die Auseinandersetzung unserer Tage. Und wofür, wenn nicht für Menschlichkeit, wären Menschenrechte und Rechtsstaat gemacht?
Ihr Armin Thurnher
Können Sie sich noch an das Video erinnern, in dem WKO-Präsident Harald Mahrer und der Banker Andreas Treichl mit einer ORF-Reporterin darüber witzeln, dass nur zwei Mineralwasserflaschen in ihrer Opernball-Loge stehen? Treichl sagte damals: "Wenn sie große Champagnerflaschen sehen wollen, müssen sie zur Industriellenvereinigung oder zur Arbeiterkammer-Loge gehen." Falter-Chefredakteur Florian Klenk wollte es genau wissen und fragte bei der WKO nach, ob sie ihren Gästen wirklich nur Mineralwasser spendiert. Gestern erhielt er Antwort: Die WKO zahlte für den Abend aus Kammerpflichtbeiträgen 20.535 Euro für Tickets und Loge, 2.250 Euro wurden darin konsumiert, 612 Euro bekam der Fotograf. Die Arbeiterkammer hatte keine Loge am Opernball.
In Zeiten von Informationsflut und Fake News ist es wichtig, die richtige Kolumne lesen. Wo wir erfahren, wie wenig wir über die Folgen von Covid-19 wissen. Und wie kompetent man dieses Nichtwissen ausbreiten kann. Virologe Robert Zangerle von der Uni Innsbruck, der regelmäßig in meiner Seuchenkolumne gastiert, zeigt es uns. "Fun(?) Fact": In Neuseeland starben aufgrund des Lockdowns 2020 signifikant weniger Menschen als im Vergleichszeitraum 2019! Morgen in der Seuchenkolumne. Abonnieren Sie sie kostenlos!
Demütigung aus Kalkül: Das Missverhalten des Paulus Manker war im Falter vergangener Woche Titelgeschichte. Nicht weniger brisant sind Aussagen ehemaliger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Mankers im aktuellen Falter, die den von Stefanie Panzenböck und Matthias Dusini eingesammelten Vorwürfen gegen den Theaterdiktator ziemliche Wucht verleihen. Manker selbst reagiert darauf kaum, und wenn, dann zynisch.