Einmal noch innehalten - FALTER.maily #303

Raimund Löw
Versendet am 27.08.2020

2020 ist innenpolitisch ein ziemlich ruhiger Sommer. Das rechtsextreme Lager ist mit sich selbst beschäftigt. Dank der schauspielerischen Leistung der falschen Oligarchennichte (die hoffentlich irgendwann auch mit einem Preis belohnt wird!) in Ibiza, kommt der einstige Shootingstar Strache aus dem "Out" nicht heraus. Die bevorstehenden Gemeinderatswahlen in Wien sind zwar noch nicht geschlagen, aber die Oppositionsparteien in Wien samt Medien gehen jetzt schon davon aus, dass der sozialdemokratische Bürgermeisters Michael Ludwig am 11. Oktober der Sieger sein wird. ÖVP-Spitzenkandidat Gernot Blümel will Finanzminister bleiben, bei Armin Wolf in der ZiB 2 klang der türkise Jungpolitiker nicht wie ein echter Herausforderer. Schade, dass der ÖVP im Wahlkampf für Wien nicht viel mehr einfällt, als die Anti-Ausländerparolen der Freiheitlichen zu übernehmen. Neos-Spitzenkandidat Christoph Wiederkehr wünscht sich für seine Partei eine Rolle in einer Stadtregierung unter Ludwig. Gleichzeitig häufen sich die Querschüsse zwischen den Koalitionspartnern Rot und Grün in Wien, es geht um Fahrradwege in von den Sozialdemokraten geführten Bezirken. Eine Fortsetzung von Rot-Grün in Wien scheint möglich, ist aber nicht sicher. Ärgerlich, dass es die politische Tradition Österreichs der SPÖ erspart, den Wählerinnen und Wählern vor der Wahl klipp und klar zu sagen, welche Regierungskoalition sie anstrebt.   

Jahrzehnte lang haben die Sozialdemokraten in Westeuropa regiert oder mitregiert und entscheidend den Wohlfahrtsstaat geprägt. Aber auch wenn die SPÖ sich in der Wiener Stadtpolitik behauptet, ist die Sozialdemokratie in die Jahre gekommen. Die traditionelle Partei der Arbeiterbewegung tut sich schwer in der Zeit des globalen Kapitalismus. Für den heutigen Falter-Podcast haben wir führende Historikerinnen und Historiker in die Redaktion geladen, um über die historischen Wurzeln der Sozialdemokratie zu sprechen und die Bedeutung abzuklopfen, die diese Identität heute noch hat.

Zu hören sind darin die Historikerin Gabriella Hauch, der Historiker Wolfgang Maderthaner und die Falter-Journalistin und Buchautorin Barbara Tóth. Gefallen hat mir das von Gabriella Hauch überlieferte Zitat der beeindruckenden Holocaust-Überlebenden Elisabeth Schilder: "Wenn schon nicht Weltrevolution, dann Sozialarbeit". Vielleicht hören Sie hinein, bevor die Hektik des Polit-Alltags uns wieder fest im Griff hat.

Einen schönen Sommerausklang wünscht,

Ihr Raimund Löw


Aus Der Welt 1

In Österreich scheint Corona die Machtverhältnisse eingefroren zu haben. Dabei ist die Parteienlandschaft in der gesamten westlichen Welt massiv in Bewegung. Einstmals stramm konservative Parteien, wie die Republikaner in den USA, werden vom faschistoid agierenden Umstürzler Donald Trump geführt. Im Rennen um die US-Präsidentschaft liegt Trump in den entscheidenden vier, fünf Bundesstaaten laut Meinungsumfragen zwar so deutlich zurück, dass manche linksliberale Kommentatoren schon von einem Erdrutschsieg für Joe Biden und Kamala Harris träumen, der den Trump-Spuk hinwegfegen könnte. Geschlagen gibt sich das Team Trumps aber noch lange nicht. In den laufenden Wahlparteitag der Republikaner sollte man hineinsehen und hineinhören, um zu verstehen, wie Amerikas Konservative ticken, wenn sie in die Ecke gedrängt sind.


Aus Der Welt 2

Richard Nixon ist es im Jahr der Revolte 1968 gelungen, mit Hilfe der sogenannten schweigenden Mehrheit ins Weiße Haus zu kommen. Wie Donald Trump ein halbes Jahrhundert später glaubt, durch Law and Order Parolen gegen die Black Lives Matter-Bewegung genügend Anhänger zu mobilisieren, um doch noch eine zweite Amtszeit zu schaffen, untersucht Michael Barbaro im Podcast der New York Times.


Hinweis

In Weißrussland lässt sich die Opposition nach dem massiven Wahlbetrug nicht unterkriegen. Vorgestern haben wieder 100.000 in der Hauptstadt Minks gegen Lukaschenko demonstriert. Immer deutlicher stellt sich der große Bruder Russland hinter den diktatorisch regierenden Langzeitpräsidenten. Für Wladimir Putin ist die Revolution in Weißrussland eine bedrohliche Entwicklung, denn es gibt nicht wenige Parallelen zwischen den Herrschaftssystemen in Moskau und Minsk. Warum Putin sich Sorgen machen muss, analysiere ich im aktuellen Falter.


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