Ein Tag mit Lehrerinnen und Lehrern - FALTER.maily #1052
Ich möchte Ihnen gerne ein bisschen über meinen gestrigen Tag erzählen. Ich besuchte in Salzburg eine Veranstaltung eines Vereins ...
meine Kollegin Barbara Fuchs schrieb mir gestern ein Mail. "Hallo Florian, mein Kind (2 Jahre) geht in eine Krippe in Wien. Es gab einen Corona-Verdachtsfall. Das wurde uns Eltern gemeldet, vor 2 Wochen. Heute (21.9.) stellt sich heraus, ein Mitarbeiter wurde wirklich positiv getestet und zwar erst vor 3 Tagen. Die Quarantäne meines Kindes hätte am 10.9. starten sollen und ist am 19.9. ausgelaufen. Leider habe ich von dieser Quarantäne nichts gewusst. Das Schreiben der MA (siehe Anhang) ist auch auf heute datiert. Wien ist also optimal auf den Herbst vorbereitet. Sarkasmus off. Wollte ich dir nur schreiben, vielleicht kannst du es ja irgendwie verwenden."
Ja, haha. Gerne. Ich habe das Schreiben dann gleich an Mario Dujaković geschickt, den Sprecher von Stadtrat Peter Hacker. Es ist tatsächlich datiert auf den 21. September. "Sehr geehrte Erziehungsberechtigte!", steht darin, "In der Krippe Ihres Kindergartens ist ein Erkrankungsfall an Covid-19 aufgetreten. Alle engen Kontaktpersonen (...) sind ab 10.9.2020 mit der positiv getesteten Person für 10 Tage in häuslicher Quarantäne. Dauer der Quarantäne bis 19.9.2020." Gezeichnet: Städtisches Gesundheitsamt.
Erst am 21. September wird den Eltern und Kindern also mitgeteilt, dass die Quarantäne ab dem 10. September verhängt und neun Tage dauern wird. "Mit freundlichen Grüßen"
Der Sprecher von Peter Hacker dachte zuerst, dass das Schreiben ein Fake sei, Wahlkampf und so. Dann sagte er zerknirscht etwas, das ich nicht zitieren darf.
Doch das, was ich nicht zitieren darf, häuft sich, wie auch unsere Kolumnistinnen Heidi List und Doris Knecht berichten. Auch sie erleben heilloses Wirrwarr in der Schule. Der Grund? Mario Dujaković sagt, die Stadt habe mit so einem enormen Anstieg der Zahlen im Herbst einfach nicht gerechnet. Die Maßnahmen seien im Sommer zu locker gewesen. Man werde nun nachrüsten - beim Contact-Tracing und beim Testen.
Gestern kündigten Stadtrat Peter Hacker und Bildungsminister Heinz Faßmann dann ein Pilotprojekt mit mobilen Testteams für Schulen, 600.000 Gurgeltests und Testergebnissen innerhalb von 24 Stunden an. Bislang standen die Wienerinnen und Wiener bekanntlich stundenlang beim Praterstadion an. Ein Chaos, also. Ob es wahlentscheidend sein wird?
Die SPÖ punktete beim Wahlvolk bisher immer damit, dass die Verwaltung in Wien funktioniert. Nun merken immer mehr Wienerinnen und Wiener, dass dem nicht so ist. das spricht sich herum. Peter Hacker, der resolute Stadtmanager, der gerne donnert und poltert, wird wohl etwas demütiger auftreten müssen. Diese Woche interviewen wir ihn gemeinsam mit dem grünen Sozialminister Rudi Anschober. Wir sind gespannt. Das Ergebnis lesen und hören Sie nächste Woche.
Bis dahin: Bleiben Sie gesund und halten Sie Abstand
Ihr Florian Klenk
Diese Woche widmen wir uns den ökonomischen Verwerfungen in der Tourismusstadt Wien. Das Hotel Sacher meldete 140 Mitarbeiter zur Kündigung an, ein Beispiel von vielen. Im Sommer waren Wiens Hotels nur zu 20 Prozent ausgelastet. Gestöhnt hat auch die Gastronomie. Eva Konzett hat sich die Lage der Hoteliers genauer angesehen, Florian Holzer sprach mit den Cafetiers und Restaurantbesitzern, die auf ihren Winterschanigarten hoffen. Ich jedenfalls freue mich, politisch völlig unkorrekt, auf einen Winter unter dem Heizpilz. Warum? Das habe ich vor acht Jahren in einem "Pro & Contra" hier leidenschaftlich argumentiert, mein Kollege Benedikt Narodoslawsky verdammte die Energiefresser. So sind wir, streitbar, selbst wenn es um den Heizpilz geht. Bitte sehen Sie von Wutmails an mich ab. Ich bin in dieser Frage unbelehrbar.
Eigentlich wollten wir ja das Sacher auf das Cover setzen. Unser Fotograf Christopher Mavrić kam mit fabelhaften Fotos aus dem Haus hinter der Oper. Wir entschieden uns anders. Stefanie Panzenböck und Matthias Dusini haben nämlich einen beeindruckenden Schwerpunkt anlässlich des 25. Jahrestages des Endes des Bosnienkrieges gestaltet. Besonders lesenswert ist das berührende Interview mit der geflüchteten Filmemacherin Nina Kusturica. Es ist so lang und schön, dass wir sogar eine bereits geschriebene Geschichte aus dem Heft schmeißen mussten. Wir bitten um Verständnis, wir drucken sie nächste Woche.
Bald erscheint ein Buch im Piper-Verlag, das ich schon vorab lesen durfte: "Welche Grenzen brauchen wir?" von Gerald Knaus, 50. Der in Oxford ausgebildete Politologe gab mir vergangene Woche ein langes Interview zu Moria und den politischen Folgen, sie können es auch als Podcast hören. Und auch diese Woche widme ich mich Knaus. Der Ungarische Premier Viktor Orbán und die von ihm gleichgeschalteten Medien fahren seit Tagen eine schwere, antisemitische Kampagne gegen ihn. Der Fall Knaus ist ein Lehrstück über den autoritären Staat Ungarn und seinen Umgang mit dissidenten Meinungen.
Und jetzt ein bisserl Schleichwerbung. Um die vielen Skandale und Affären zu verdauen, setze ich mich alle paar Wochen mit dem Staatskünstler Florian Scheuba auf eine Bühne und wir erzählen dem Publikum, was in diesem Land wirklich passiert. Scheuba ist ja ein investigativer Kabarettist, manche Akten kennt er besser als ich. "Sag Du, Florian!" heißt unser Programm und endlich dürfen wir es wieder spielen. Covid-sicher im Mariahilfer Stadtsaal etwa, am nächsten Sonntag um elf Uhr, Restkarten gibt es noch. Und wer sich Scheuba alleine zuhause anhören will, dem empfehle ich seinen neuen Falter-Podcast "Scheuba fragt nach", in Bälde wieder im FALTER-Radio.
Bis dahin gönnen Sie sich doch diese Realsatire aus dem Wienwahlkampf.