Kowall und Zwander - FALTER.maily #1100
Ich möchte Ihnen heute von zwei Sozialdemokraten erzählen, die ich in den vergangenen Jahren doch recht intensiv beobachten konnte und die ...
ein halbes Jahr nach Ostern ist der Kampf der Österreicher gegen die Corona-Pandemie nicht wiederzuerkennen.
Zu Frühlingsbeginn waren wir Shutdown-Hardliner, fast alle haben sich an die strengen Verordnungen (und behaupteten Regeln) gehalten. Die Spitäler blieben eher verschont, die Sterbetafeln eher leer.
Und nun, zu Herbstbeginn, ist dasselbe Land ein Sorgenkind. Es gibt mehr Fälle als anderswo und neue Reisewarnungen. Die Gesundheitsnummer 1450 ist überlastet und das Contact Tracing hinten nach, die Stadt Wien gibt zu, nicht mit diesem Anstieg gerechnet zu haben.
Wo ist die Disziplin der Österreicher geblieben? Was ist in diesem halben Jahr passiert?
Es war der 30. März, als Bundeskanzler Sebastian Kurz vor 100.000 Corona-Toten in Österreich warnte, um die Maskenpflicht beim Einkaufen zu rechtfertigen. Obwohl die Krisenstäbe damals schon wussten, dass die Pandemie gebremst war, werde bald "jeder jemanden kennen, der an Corona verstorben ist." Das Hantieren mit übertriebenen Schreckensszenarien sollte die Österreicher Vorsicht lehren.
In großen Krisen folgen Menschen den Mächtigen. Medien stimmten in den Regierungschor ein, das Wort des Bundeskanzlers formte das Verhalten des Volkes. Viele Österreicher ließen nach Kurz' Überdramatisierung im Frühjahr das Osterfest ausfallen. Niemand wollte zum "Lebensgefährder" werden.
Dass die Bundesregierung damals keine realistische Lageeinschätzung vermittelte, sondern eine höchst unwahrscheinliche Tragödie in Aussicht stellte, fällt dieser Tage auf uns zurück. Den Menschen ist aufgefallen, dass die üblen Vorhersagen bei weitem nicht eingetreten sind. Das Gefühl drehte sich, so schlimm kann das Virus also doch nicht sein? Immer mehr empfanden die strengen Maßnahmen als ungerechtfertigt. Es folgte ein Sommer der Erleichterung: Weil die Ankündigung so furchteinflößend war, schaute das echte Virus plötzlich harmlos aus. Corona hatte seinen Schrecken verloren.
Sogar Sebastian Kurz war nun euphorisch. Am 13. Juni verlautbarte er: "Nachdem wir die gesundheitlichen Folgen der Krise überstanden haben, müssen wir jetzt angesichts der Weltwirtschaftskrise die Konjunktur in Österreich wieder ankurbeln". Die gesundheitlichen Folgen der Krise waren überstanden? Er wiederholte die Botschaft, Österreich sei außerdem das sicherste Reiseland. Córdoba 1978, Corona 2020 – wir haben gesiegt. Auf den "Hammer" konnte nun der "Dance" folgen.
Im wahrsten Sinne des Wortes. Menschen feierten wieder eng an eng in Discos, die Glaubensgemeinden kamen zahlreich zusammen, Betriebe lockerten die Hausregeln. Nicht alle Behörden bereiteten sich ausreichend auf die Jahreszeit der Atemwegsinfekte vor. Im September gab es nun viele positive Tests.
Und Sebastian Kurz setzt auf bewährte Mittel, um die Ausgelassenheit einzufangen: Er hat die zweite Welle ausgerufen und nimmt das Schreckgespenst zweiter Lockdown in den Mund.
Ihr Lukas Matzinger
Am 29. Jänner 2009 starb der britische Liedermacher John Martyn – schwer übergewichtig, mit einem Bein und zwei entzündeten Lungenflügeln. Obwohl er in der Liga von Nick Drake, Van Morrison und Joni Mitchell spielte, bleibt er auf dem Festland immer noch unbekannt. Auf Stilgebote gab Martyn nichts, seine Stimme war ein Instrument, jedes Lied ein Gefühl. Dies sind einige seiner Schönsten.
Tatsächlich ins Spital eingeliefert, wenn auch nicht wegen Corona, wurde unser Kolumnist Harry Bergmann. Wie erschreckend sich die Gesellschaftsordnung innerhalb und außerhalb der Spitalsmauern ähneln, beschreibt er in seiner aktuellen Kolumne "Das Spitalswesen und wie man selbst zu einem wird".
Nach dem großen Erfolg von "Geheime Pfade" haben Gabriele Hasmann und Charlotte Schwarz ein neues Buch geschrieben: "Faszinierende Wege. Brücken, Stege und legendäre Stiegen in Wien" ist vergangene Woche im Falter Verlag erschienen. Die enthaltenen Erkundungstouren entlang der schmucken Stiegenanlagen der Stadt führen sie zu den schönsten Ecken Wiens. Morgen Dienstag, um 19h, präsentieren sie das Buch in der Buchhandlung Thalia W3 bei Wien Landstraße, der Eintritt ist frei. Wir freuen uns, wenn Sie dabei sind!