Wertsachen - FALTER.maily #351

Josef Redl
Versendet am 22.10.2020

heute trifft sich der Falter mit der ÖVP. Nicht zu Gesprächen, sondern vor Gericht. Es geht dort um die grundsätzliche Frage, ob Sebastian Kurz die Unwahrheit über sein Wahlkampfbudget gesagt hat. Oder wir.

Im Wiener Handelsgericht ist der letzte Prozesstag in einem Verfahren anberaumt, das die Kanzlerpartei gegen den Falter angestrengt hat. Uns waren vor der Nationalratswahl 2019 umfangreiche Dokumente aus der Buchhaltung der ÖVP zugespielt worden. Darunter waren auch Budgets für den Wahlkampf der Türkisen. Die Kosten für die ÖVP-Kampagne waren dort deutlich höher angesetzt als die gesetzlich erlaubten sieben Millionen Euro. 

Und: Die Parteibuchhalter haben etliche Posten, die eindeutig dem Wahlkampf zuzuordnen sind, in die Buchungsspalte "Soll Nicht Wahlkampf" verschoben. Wir haben die Dokumente analysiert, sauber recherchiert (hier oder hier) und sind zu dem Schluss gekommen: Oops! They did it again. 

Seit die gesetzliche Wahlkampfkostenobergrenze besteht, hat die ÖVP diese noch nie eingehalten. Also 2013 nicht und 2017 nicht. 2017 hat die Partei die Obergrenze um sechs Millionen überschritten und wurde dafür mit mehr als 800.000 Euro bestraft. Das gesetzliche Fairness-Abkommen wurde gröblich verletzt. Kurz investierte verbotenerweise Geld – auch seiner Spender – in seine Kampagne und sich damit einen illegalen Vorteil verschafft.

Und 2019? Das wird auch davon abhängen, wie kritisch der Wirtschaftsprüfer die Angaben der ÖVP hinterfragt. Ob er der Partei zum Beispiel ernsthaft glaubt, dass "Wahlprämien" für das Personal nicht unter Wahlkampfkosten fallen. 

Im Verlauf des Verfahrens hat die ÖVP bereits zurückrudern müssen. Der von Kurz im Fernsehen mehrfach geäußerte Vorwurf, wir hätten "manipulierte" oder gar "gefälschte" Dokumente verwendet, wurde zurückgenommen. 

Die ÖVP hat bestätigt, dass alle von uns verwendeten Unterlagen echt sind. Warum klagt uns die ÖVP dann? Wir sind auf Basis dieser unstrittigen Unterlagen zu dem Schluss gekommen, dass die ÖVP nicht nur eine Überziehung der Wahlkampfkostenobergrenze plante, sondern dass sie gewisse Posten eben gar nicht als Wahlkampfkosten deklariert und damit Öffentlichkeit und Rechnungshof täuscht. Das Gericht muss nun entscheiden, ob das eine durch die Pressefreiheit geschützte Meinung des Falter war.

Wir sind davon überzeugt.    

Ihr Josef Redl


Zum Nachlesen

Unsere Berichte zur geheimen Buchhaltung der Liste Kurz aus dem Jahr 2019 können Sie hier und hier nachlesen.


Zum Nachhören

Im Juni diesen Jahres fand der erste Verhandlungstag ÖVP vs. Falter statt. Im FALTER-Radio haben wir damals den Prozessstart und die Hintergründe der Vorwürfe beschrieben, hier können Sie die Sendung nachhören, hier den Prozessbericht nachlesen.


Aus Dem Falter 1

Was passiert, wenn Menschen willkürlich stigmatisiert werden? Wie gehen sie damit um und wie reagieren ihre Mitmenschen darauf? Um diese Fragen dreht sich das "Blue Eyes/Brown Eyes"-Experiment, das 1968 von der US-Amerikanischen Lehrerin Jane Elliott entwickelt wurde und das Diskriminierung erfahrbar machen soll. Der ORF hat das Experiment wiederholt und mitgefilmt. Wie es gelaufen ist, lesen Sie hier.


Aus Dem Falter 2

Hätte Karl Lagerfeld im Lockdown Jogginghosen getragen? Corona leitete kleidungstechnisch eine Ära der Gemütlichkeit ein, manche sagen sogar, die Pandemie hätte die Mode gekillt. Unterdessen regt sich bereits Widerstand: Unter dem Hashtag #goingnowherebutfuckitimgettingdressed ("Ich gehe nirgendwohin, aber verdammt noch mal, ich mach' mich schick!") zelebriert das Internet seine Sehnsucht nach dem Aufbrezeln, wie Birgit Wittstock für den aktuellen Falter beobachtet hat.


Podcast

Wie soll es mit dem Lueger-Denkmal in Wien weitergehen? Der Bürgermeister der Jahrhundertwende ist mit antisemitischer Hetze groß geworden – und machte sie umgekehrt politisch groß. Der weltweite Trend zum Denkmalsturz im Zuge antirassistischer Proteste entfachte auch hierzulande die Debatte neu. Im FALTER-Podcast bei Raimund Löw diskutieren die Wiener Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler, der Künstler und "Schandwache"-Initiator Eduard Freudmann, der Historiker und "Zack-Zack"-Chefredakteur Thomas Walach sowie der Falter-Journalist Klaus Nüchtern über die Zukunft des Denkmals.


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