Ein Tag mit Lehrerinnen und Lehrern - FALTER.maily #1052
Ich möchte Ihnen gerne ein bisschen über meinen gestrigen Tag erzählen. Ich besuchte in Salzburg eine Veranstaltung eines Vereins ...
ein Gespenst geht um in der österreichischen Hochschulpolitik – das Gespenst des Bummelstudenten. Alle Mächte haben sich zu einer heiligen Hetzjagd gegen dies Gespenst verbündet, vom Wissenschaftsminister bis zu den Uni-Rektoren. So scheint es zumindest, sieht man sich die Reaktionen an, die einige "Leaks" aus den türkis-grünen Verhandlungen zu einer Novelle des Universitätsgesetz (UG 2002) hervorrufen.
Der größte Aufreger ist die geplante Einführung von "Mindestleistungen". Wer pro inskribiertem Fach nicht mindestens 16 ECTS, also Leistungspunkte, pro Semester sammelt, soll künftig exmatrikuliert werden – selbstverständlich nach mehreren Warnungen. Zum Vergleich: 180 ECTS braucht man für ein Bachelorstudium, pro ECTS wird ein Arbeitsaufwand von 25 Stunden veranschlagt. 16 ECTS entsprechen also 400 Stunden, oder 50 Acht-Stunden-Arbeitstage pro Semester – inklusive Prüfungsvorbereitung.
Wahnsinnig viel ist das nicht. Aber für Studierende, die arbeiten müssen, ist es ein Faktor – und deshalb ein Affront. Die Erwerbsquote unter Studierenden liegt laut der aktuellen Studierendensozialerhebung immerhin bei 65 Prozent. Im europaweiten Vergleich ist das viel. Im Schnitt hackeln die Studis rund 20 Stunden pro Woche; schon ab einer Erwerbstätigkeit von mehr als zehn Wochenstunden leidet jedoch der Studienfortschritt.
Wenig überraschend also, dass die ÖH, die zudem ÖH-Beiträge von allen Studierenden erhält, nun gegen diese Pläne Sturm läuft. Auch die grüne Wissenschaftssprecherin Eva Blimlinger, die das Gesetz für die Grünen verhandelt, sagt, diese Regelung sei noch nicht ausverhandelt: "Wir wollen das nicht." Wer länger studiert, sei nicht automatisch ein "Bummelstudent", sondern müsse vielfach nebenbei arbeiten.
Auf der anderen Seite stehen die Universitäten, die aufgrund der Leistungsvereinbarungen gezwungen sind, die Anzahl der prüfungsaktiven Studien – also wenn pro Studium eben mindestens 16 ECTS geleistet werden – zu erhöhen. An der TU Wien beträgt der Anteil der prüfungsaktiven Studien beispielsweise gerade einmal 59,3 Prozent. "Es geht auf Dauer nicht, dass man nur studiert um des Studierens willen", sagte Sabine Seidler, Präsidentin der Österreichischen Universitätenkonferenz vergangene Woche in einem Interview mit dem Standard. Aber was, wenn der Bummelstudent Geld verdienen geht? Auch Gespenster müssen von etwas leben.
Einen schönen Freitag wünscht
Ihre Anna Goldenberg
Die geplante UG-Novelle, die Mitte November in Begutachtung gehen soll, könnte jedoch auch eine Erleichterung für berufstätige Studierende bringen: Bis zu 60 ECTS sollen für berufliche und außerberufliche Tätigkeiten anerkannt werden. Wer etwa im Sommer im Jugendcamp arbeitet, kann sich das in seinem Lehramtsstudium anrechnen lassen.
Und eine wichtige Neuerung für Österreich, das Land der akademischen Titel: Laut Blimlinger ist geplant, dass Titel gendersensibler werden. Neben dem hochgestellten -a für Magistra, und -in für Doktorin, soll künftig auch die dritte Option des Geschlechtseintrages, ein hochgestelltes -x als Teil des Titels, anerkannt werden.
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