Sorry, Sora! - FALTER.maily #1201
Ich hoffe, meine Mail geht an den richtigen Verteiler. Weil - Sie haben es heute vielleicht mitbekommen und wenn nicht, erzähle ich es Ihnen ...
es gibt Dinge, zu denen würde man lieber schweigen. Das geht nicht immer. Wenn das Nachrichtenmagazin Profil dem Kollegen Florian Klenk vorwirft, er habe die Ermittlungen der Polizei an jenem schrecklichen Montagabend behindert, als der Attentäter mitten in Wien vier Menschen umbrachte und mehr als zwanzig Menschen zum Teil schwer verletzte, dann ist das so ein Augenblick.
"Chefredakteur Florian Klenk, ein früher Augenzeuge und einer der ersten Journalisten, die über den Vorfall in der Innenstadt berichteten, behinderte die laufende Polizeiarbeit durch das Forcieren einer Falschmeldung. ,Lage offenbar sehr ernst‘ begleitete Klenk die sich überstürzenden Ereignisse mit einem Twitter-Gewitter…" schrieb Profil, und Redakteure wie auch Herausgeber dieser Publikation zeigten sich selbst dann noch uneinsichtig, als sie von der Polizei mit der Mitteilung konfrontiert wurden, Klenk habe ihre Arbeit keineswegs behindert, sondern im Gegenteil vor allem am Anfang "enorm geholfen", Menschen vor der tödlichen Gefahr zu warnen, sie aufzufordern, sich in Sicherheit zu bringen.
Klenk unterlief dabei ein Fehler. Dieser wurde einem größeren Publikum bekannt, als Armin Wolf in der von ihm und Kollegen hervorragend moderierten ZiB 2 Spezial mit Klenk telefonierte, weil der sich in der Falter-Redaktion in unmittelbarer Nähe der Tatorte befand, mit Kolleginnen teilweise zum Augenzeugen wurde und Schüsse durchs Fenster beobachten konnte.
Klenk war telefonisch im Kontakt mit der Polizei, die ihm die Information gab, eine Geiselnahme sei im Gang. Was tut man da? Überprüfen kann man es nicht, im Zweifel warnt man vielleicht ein paar Menschen, bringt sie dazu, sich zu verstecken, Zuflucht zu suchen, nicht auf die Straße zu gehen. Klenk informierte das ZiB 2-Publikum und twitterte die Nachricht. Sobald klar war, dass es sich um eine Fehlinformation handelte, entschuldigte er sich und löschte den Tweet.
Gewiss war Klenk Journalist genug, zu bemerken, mitten in einer großen Geschichte zu stecken. Scoop! Aufmerksamkeit! Er verhielt sich entsprechend, überschritt aber nie die Grenze, die andere Medien überschritten, wie Fellner und die Krone, die entgegen dem Ansuchen der Polizei und ungeachtet jeder ethischen Erwägung Videos vom Anschlag verbreiteten.
Gewiss mag es ärgerlich für die Konkurrenz sein, wenn einer wie Klenk schon wieder Glück im Unglück hat. Wenn man im Aufmerksamkeitswettbewerb mit ihm wieder einmal den Kürzeren zieht. Ihn dann aber auf diese Weise zu diffamieren, geht doch ein Stück über Konkurrenzneid und das publizistische Begleichen offener Rechnungen hinaus. Es wird zur beschämenden Denunziation und richtet sich selbst.
Gewiss leben wir in Zeiten zerbrechender, disruptiver – wie man sie nennt – Kommunikationsverhältnisse, die Social Media tragen auf oft unerfreuliche Weise zum Zusammenbruch bei. In diesem Fall haben sie das getan, wie die geposteten Videos und die schamlose politische Ausschlachtung der Trauer durch unsere verantwortungsfremden Verantwortungsträger zeigen.
Und ebenso gewiss hat Klenks "Twitter-Gewitter" Menschen das Leben gerettet. Dass einige Menschen dabei Angst empfanden, kann man wohl kaum dem Warner anlasten. Genau das tut aber das Nachrichtenmagazin Profil. Es macht bei jenem unerfreulichen Trend mit, der da lautet: diffamiert unliebsame Konkurrenz, egal womit, und gebt das noch als Medienkritik aus. Vielleicht kauft es euch jemand ab.
Als Medienkritiker der ersten Stunde darf ich dazu anmerken, dass das mit Medienkritik nichts zu tun hat, sondern mit niedrigen Motiven, die wir zum Montagmorgen nicht näher ausleuchten wollen.
Ich wünsche Ihnen trotzdem eine schöne Woche.
Ihr Armin Thurnher
Ausnahmsweise sei ein Verweis auf ein vorangegangenes Maily gestattet. In diesem, falls Sie es nicht gelesen haben, setzt sich Florian Klenk mit den Ereignissen des vergangenen Montag auseinander, die auch an den Augenzeugen Spuren hinterließen, die nicht so leicht zu verarbeiten sind.
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