Herr Kulturminister - FALTER.maily #383

Stefanie Panzenböck
Versendet am 28.11.2020

es war Mitte Mai und Österreich in seinem ersten Lockdown, als das erste Mitglied der türkis-grünen Koalition zurücktreten musste. Ulrike Lunacek, Staatssekretärin für Kunst und Kultur, hatte weder die Expertise noch das Pouvoir, dem Unmut der Künstler in der Pandemie etwas entgegenzusetzen. Erstens, weil die anerkannte Europapolitikerin keine Ahnung von ihrem neuen Fachbereich hatte, zweitens, weil sie als Staatssekretärin nicht in der ersten Reihe mit den Ministerinnen und Ministern steht und formal gar nicht Teil der Regierung ist.

Da sich die Situation der Kunstschaffenden aber immer mehr verschärfte, brauchte es eine Expertin. Nach Lunaceks Rücktritt am 15. Mai war schnell klar, wer ihr nachfolgen würde. Die Beamtin Andrea Mayer war 30 Jahre lang im öffentlichen Dienst tätig, zehn davon als Chefin der Kunst- und sodann auch der erweiterten Kultursektion. Am Ende leitete sie die Kabinettsdirektion von Bundespräsident Alexander van der Bellen.

Mayer ist keine Meisterin des großen Auftritts, sie setzt auf Pragmatismus und Sachkenntnis. Seit sie das Amt der Staatssekretärin innehat, werden die Hilfszahlungen für Kunstschaffende und Kulturbetriebe ständig erhöht und adaptiert.

Doch während Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) überengagiert für die Skisaison kämpft, hält sich Mayer bezüglich der Öffnung von Theatern und Konzerthäusern zurück. Man wisse nicht, wie sich die Situation am 7. oder 15. Dezember darstelle, sagte sie dem Falter. Überzeugung klingt anders. Dabei hat der Kunst- und Kulturbetrieb aufgrund von guten Hygiene- und Präventionskonzepten am Infektionsgeschehen so gut wie gar keinen Anteil.

Andrea Mayer ist in ihrer Funktion als Staatssekretärin dazu da, den zuständigen Minister zu unterstützen. Tatsächlich macht sie den Job allein. Im Gegensatz zu Ulrike Lunacek besitzt Mayer zwar die Expertise, doch ihr politischer Einfluss ist, wie bei ihrer Vorgängerin, durch das Amt begrenzt.

Denn, falls Sie es nicht wissen, der Kulturminister dieses Landes ist Vizekanzler Werner Kogler. Mit Kunst- und Kulturpolitik hatte er bisher nichts am Hut und vermittelt auch nicht den Eindruck, das ändern zu wollen. Bisweilen erwähnt er bei Pressekonferenzen den Sport, für den er auch zuständig ist, während Bundeskanzler Sebastian Kurz die "Kunstverliebten" belächelt und in den Lockdown-Verordnungen Kunst- und Kulturbetriebe zwischen Paintballanlagen und Wettbüros firmieren.

Alles nur Äußerlichkeiten? Bedenkt man den Aufwand, den die Bundesregierung in die Inszenierung ihrer selbst steckt, ist das wenig wahrscheinlich. Die Kulturpolitik hätte sich einen besseren Regisseur verdient.  

Haben Sie ein schönes Wochenende, 

Ihre Stefanie Panzenböck


Morgen Im Fernsehen

Der Kabarettist Alfred Dorfer gibt sein Debüt als Opernregisseur und inszeniert Mozarts "Die Hochzeit des Figaro". Aufgrund der Maßnahmen gegen Covid-19 darf die Premiere im Theater an der Wien allerdings nur ohne Publikum stattfinden. ORF III überträgt "Die Hochzeit des Figaro" am Sonntag ab 20:15 Uhr. Was dem Satiriker die Oper bedeutet und was er von der aktuellen Kulturpolitik hält, erzählt Alfred Dorfer im Interview in der FALTER:WOCHE.


Noch Eine Empfehlung

100 weitere Tipps, wie Sie den Lockdown mit Lust und Freude überstehen, finden Sie im aktuellen FALTER.


Podcast

In der aktuellen Folge des FALTER-Podcasts diskutieren die Sprachwissenschaftlerin Ruth Wodak und der Historiker Philipp Blom über die "Politik der Angst" und wie rechtsextreme Diskurse durch sie normalisiert werden. Die Veranstaltung wurde im Bruno Kreisky Forum für Internationalen Dialog aufgezeichnet. 


Hinweis

Noch bis 8. Dezember können Sie das Wiener Integrationshaus durch unsere Spendenaktion "Hilfe, Geschenke" unterstützen, indem Sie Tombola-Lose für die großartigen 187 Geschenke erstehen, die uns lokale Unternehmen, Initiativen und Künstlerinnen zur Verfügung gestellt haben. In dieser Episode unseres Podcasts hören Sie mehr über die wichtige Arbeit des Integrationshauses und wie diese unter den erschwerten Bedingungen des Lockdown abläuft.


Erratum

In seinem gestrigen Maily hat Benedikt Narodoslawsky den Ort Fucking als Gemeinde bezeichnet, tatsächlich gehört Fucking zur Katastralgemeinde Hofstatt in der Gemeinde Tarsdorf (Braunau am Inn). Danke unserer Maily-Leserin Gertrud S., die uns auf den Fehler aufmerksam gemacht hat.


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