Manche Welt liegt in Innsbruck - die wahre ist es nicht - FALTER.maily #1207
Gestern Abend hatte ich zwei sehr liebe Freundinnen zu Besuch. Die eine arbeitet als Grafikerin, die andere im Bankwesen. Wir hatten einander ...
die FPÖ ist irgendwie eine Dodelpartei geworden. Oder anders ausgedrückt, sie war immer schon eine rechte Dodelpartei, aber jetzt ist sie als solche viel besser zu erkennen, weil ihr charismatische oder zumindest beliebte Führungsfiguren fehlen. Stattdessen stehen jetzt Leute wie Michael Schnedlitz an der Front, das ist jener FPÖ-General, der sich mit den Identitären verbünden will und im Parlament einen Corona-Test mit Cola tränkte, um zu zeigen, dass er dann, "darüber schreibt niemand!", ein positives Ergebnis zeigt.
Auf Twitter kursierte dann ein kleines Filmchen von einem Fieberthermometer, das irgendwer an einen Heizkörper hielt und dazu schrieb: "Der Beweis: Fieberthermometer sind sinnlos! Zeigen Fieber obwohl man sie nur an einen Heizkörper hält! Darüber sollte man berichten".
Schnedlitz blauer Trupp ist übrigens gegen den Lockdown, aber auch gegen die Impfung, die uns den Lockdown ersparen könnte. Irgendwie ein bisschen wirr, diese Strategie. Ich empfehle einen Blick in Intensivstationen, Altersheime oder Fleischfabriken.
Über Corona-Leugner haben wir ausführlich berichtet. Nun widmen wir uns einer anderen Gruppe von Problembären, den rabiaten Impfgegnern. Damit sind nicht jene gemeint, die sachliche Argumente für und wider die Impflicht und die industrielle Produktion von Impfstoffen vorbringen. Diese Debatte muss man sachlich führen und das wird sie auch.
Wir widmen uns einer erstaunlich wirkmächtigen politischen Bewegung, die sich da gerade in Europa formiert und im Netz durchaus auch in gemäßigte Bevölkerungskreise ausstrahlt. Nina Horaczek, die seit drei Jahren im Journalistennetzwerk "Europes Far Right" recherchiert, hat diese Woche gemeinsam mit Kollegen von Liberation, WoZ, TAZ und Internazionale erkundet, wie sich eine Szene aus Rechtsextremisten, Verschwörungstheoretikern und Spinnern vernetzt, die sich als die neuen Juden fühlen und glauben, gegen eine Corona-Diktatur ankämpfen zu müssen, mit "Ungeimpft"-Judensternen. Sie alle sollten Eva Konzetts Recherchen über die wichtigsten Fragen zur Covid-Impfung lesen und einmal durchatmen.
Zur Illustration unseres Impf-Schwerpunktes haben wir uns am Titelblatt übrigens einer exzellenten Karikatur bedient. Sie stammt von James Gillray und verspottet die von Edward Jenner eingeführte Impfung mit Kuhpocken. Das war 1802.
Ihr Florian Klenk
Welche Auswirkungen hat Corona auf das Leben abseits der Covid-Stationen? Ich habe diese Woche einen verstörenden Justizskandal recherchiert. Eine 63-jährige schwer kranke Frau zündete in ihrer Wohnung eine Kerze an, brüllte bedrohliches vom Balkon und landete deshalb nach einem kurzen Prozess in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher. Dort wird sie seit sechs Monaten – offiziell wegen Covid – von Adelheid Kastner, der Leiterin der forensischen Psychiatrie isoliert und von ihrer Familie ferngehalten. Der Sohn der Pensionistin hat mir Einsicht in den Justizakt gewährt. Ich habe selten so eine beschämende Geschichte über die österreichische Justiz gelesen. Ich hoffe, der Fall löst eine breite Diskussion über den Maßnahmenvollzug und die mangelhafte Qualität der Arbeit der Gerichte und Staatsanwaltschaften aus.
Gibt es irgendetwas Positives, das wir im vergangenen Jahr aus der Corona-Krise mitnehmen können? Ja, sagt die Feuilleton-Redaktion und hat diese wunderbare Geschichte verfasst.
Zwei Badehosen standen am Beginn der Freundschaft zwischen den Autoren Benjamin von Stuckrad-Barre und Martin Suter, die nun zu einem kurzweiligen Buch geführt hat, dem Gesprächsband "Alle sind so ernst geworden". In Plauderlaune präsentiert sich Stuckrad-Barre auch im Interview mit Sebastian Fasthuber, es ist die Titelgeschichte der neuen FALTER:WOCHE. Weiters finden Sie in unserer Kultur- und Programmbeilage Tipps für Ausstellungsbesuche in Wien, die Regisseurin Sabine Derflinger berichtet aus ihrem Pandemie-Alltag, Nicole Scheyerer porträtiert die Künstlerin Violetta Ehnsperg und deren Atelier, der Filmtipp der Woche führt zurück zur französischen Präsidentschaftswahl 1974, und unsere beliebte Fotoserie "Leuchtkasten" widmet sich diesmal der Weihnachtsbeleuchtung in der Stadt.
Wolfgang und Niki Fellner haben vor einigen Wochen ordentlich Fett abbekommen, weil sie Videos des Attentäters sendeten. Barbara Tóth und Anna Goldenberg haben mit den zwei Österreich-Machern nun ein ausführliches Gespräch geführt und sie auch über den Abgang von Richard Schmitt befragt, jenes Journalisten, dem Strache auf Ibiza Rosen streute.
Ich möchte Ihnen noch ein schönes Buch für Weihnachten ans Herz lesen, das ich gerade lese. Diese wirklich spannend geschriebene Biografie von Leonardo da Vinci. Der unehelich geborene homosexuelle Vegetarier aus Florenz konnte nicht nur verdammt gut malen, er erforschte auch Spechtzungen, zog Menschen die Haut ab, baute Flugmaschinen, zeichnete Stadtpläne und notierte heimlich: "Die Sonne bewegt sich nicht". Das behielt er allerdings für sich. Die Kirche hätte ihm das nicht verziehen.
In der neuesten Folge von "Scheuba fragt nach..." eilt der Satiriker Florian Scheuba dem von Angehörigen im Stich gelassenen Karl-Heinz Grasser zu Hilfe, versucht Präsident Erdoğan nicht zu beleidigen und spricht mit dem Journalisten und Autor Hasnain Kazim über manipulierte Postings und Humor als Notwehr.