Andi Babler, die EU und meine Barbiepuppe - FALTER.maily #1101
Die Sache zwischen mir und der Europäischen Union begann mit großer Zustimmung. Irgendwann Anfang der 1990er-Jahre hatte mein Vater mich ...
gestern war im ORF wieder einmal eine Runde der Chefredakteure und Chefredakteurinnen zu sehen. Naturgemäß ist in solchen Runden niemand vom Falter geladen, nicht aus Gründen der Reichweite, sondern weil zu befürchten ist, dass unsereiner (ich meine nicht mich, würden sie mich einladen, ich ginge nicht mehr hin) den homogenen Eindruck dieser Runde durch vorlaute Kanzlerkritik trüben würde.
Die Runde war eine runde, soziale Skulptur. Diskretes und dezent nasales Nörgeln an "der Politik", an "der Regierung" ja, aber kaum jemand raffte sich zu expliziter Kritik auf, man redete wohlerzogenen Nebel und schlich samtpfötig um den heißen Kanzlerbrei herum.
Ein beklagenswertes Schauspiel. Die schlimme Botschaft: die Message Control des Bundeskanzlers, er heißt übrigens Sebastian Kurz, falls es die Chefredakteure vergessen haben, hat total gegriffen.
Ich gehe nicht näher auf Kurzens Umgang mit der Covid-Krise ein, im Maily ist Kürze geboten. Eine umfassende Bilanz des Kanzlerversagens hebe ich mir für meinen Abschlusskommentar im morgen erscheinenden Falter auf. Hier müssen drei fragende Hinweise genügen.
Erstens, wie kann man einen Kanzler mit Kritik verschonen, der seit neun Monaten alle Medienkanäle als oberster Corona-Krisenmanager verstopft, und dessen Land pro Million Einwohner dreimal mehr Coronatote verzeichnet als sein Nachbar Deutschland?
Zweitens, wie kann man einen Kanzler mit Kritik verschonen, der so unverantwortlich mit gebotenen Maßnahmen umgeht wie unser jetziger? Er darf doch nicht steigende Infektions- und Todeszahlen kommen sehen und mit nötigen Maßnahmen gemütlich warten, bis alle Einkäufe erledigt und bis die Familienfeiern im Kreis von zehn (10) Menschen erledigt sind. Und dann noch am 24.12. die Skilifte aufsperren lassen. Man muss kein Epidemiologe sein, um das für im höchsten Maße unverantwortlich zu halten. Jede schnelle Maßnahme hilft besser, jede Verzögerung schadet umso mehr.
Und drittens, auch diese Bemerkung kann und will ich mir nicht verkneifen: Wie kann einer von "halbwegs würdevollen Weihnachten" reden und zugleich die "klare Linie" vertreten, kein einziges jener Flüchtlingskinder von der Insel Lesbos bei uns aufnehmen zu wollen, die dort in Nässe, Kälte, Schlamm misshandelt und von Ratten gebissen werden?
Das geht mir nicht ein, und noch weniger geht mir ein, wie es Medien mit ihrer publizistischen Selbstachtung vereinbaren, diesen Mann nicht in scharfen Worten für all das verantwortlich zu machen.
Aber Sie lesen ja eh den Falter.
Nichts wäre uns lieber, als über den vorbildlichen Umgang der Regierung mit der Corona-Pandemie zu schreiben. Nichts wäre schöner, als von einer würdigen europäischen Rolle Österreichs in humanitären Fragen zu berichten.
Aber leider…
Haben Sie trotzdem schöne, virenmäßig vorsichtige Feiertagswochen.
Ihr Armin Thurnher
In aller gebotenen Unbescheidenheit darf ich darauf aufmerksam machen, dass in meiner Seuchenkolumne der Innsbrucker klinische Epidemiologe Robert Zangerle vom Anfang der Pandemie an seriöse und verlässliche Daten und Fakten liefert, anders als viele, die diskutierend den Hobby-Epidemiologen mimen oder gar schlecht informiert politische Entscheidungen treffen. Das Abonnieren dieser Kolumne ist übrigens weder mit Kosten noch mit Nebenwirkungen verbunden.
Der Falter bietet zum Jahresabschluss immer Besonderes, Gutes wie Böses. Zum einen die Jahresbilanzen, die auch Berichte über gute Taten miteinschließen, wie die Rettung und Entschuldung des Bergbauern Bachler. Zum anderen aber Best of Böse, die lang erwartete satirische Abrechnung mit den 100 Bösesten des Jahres. Ein Falter-Abonnement eignet sich demgemäß sehr gut als Weihnachtsgeschenk, der Falter unterm Baum verleiht Ihrem Fest eine gewisse, ähm, Würde.
Die Podcasts des von Raimund Löw gestalteten FALTER-Radio lassen Sie über die Feiertage nicht allein. Es beginnt morgen mit "Scheuba fragt nach…". In der für heuer letzten Folge bastelt Scheuba mit Wolfgang Sobotka Weihnachtskrippen für Novomatic und Viktor Orbán, empfiehlt Sebastian Kurz eine historische Weihnachtsansprache und fragt nach bei Florian Klenk. Die beiden rätseln darüber, woran sich Grasser zum Thema "Eurofighter" wieder erinnern könnte, und was der Finanzpolizei möglicherweise zu KHGs Meinl-Gage einfällt. Viele weitere Podcasts folgen. Stay tuned!