Simas Vision - FALTER.maily #409

Birgit Wittstock
Versendet am 08.01.2021

während die Welt Kopf steht, nimmt in Wien alles seinen gewohnten Gang. Soll heißen, die rote Wiener Stadtregierung führt ihre Projekte – nun unbehelligt von lästigen Zwischenrufen des einstigen grünen Koalitionspartners – fort. Eines der ersten auf der To-Do-Liste von Ulli Sima, Stadträtin für Innovation, Stadtplanung und Mobilität: die Umgestaltung des Flohmarktparkplatzes bei der Kettenbrücke.

Seit Jahren wird über eine Neugestaltung der 10.000 Quadratmeter großen Asphaltfläche beim Wiener Naschmarkt diskutiert. Im Wien-Wahlkampf im vergangenen Herbst zeigte sich im Rendering-Match, das sich SPÖ und Grüne um das Areal lieferten, wie verschieden die Visionen und das Verständnis der beiden Parteien für den öffentlichen, von Jugendstilbauten und dem Otto-Wagner-Ensembel umstandenen Raum sind: der grüne Mariahilfer Bezirksvorsteher-Stellvertreter Michael Reichelt träumte von einem nicht-kommerziellen, urbanen Freiraum samt Bäumen, Bepflanzung, Wasser und Radspielplatz; die rote Märkte-Stadträtin Sima konterte mit dem Rendering einer Markthalle, genauer gesagt einer rund 5000 Quadratmeter großen, mit Photovoltaik-Folien beklebten Überdachung aus Glas und Stahl. Und die, so konnte man dieser Tage nicht nur einem ihrer Facebook-Postings, sondern auch einem Artikel im Kurier entnehmen, soll nun schnellstmöglich umgesetzt werden.

Offenbar hat es Sima, die bei der Neuverteilung der Ressorts ihre mächtigen Agenden Stadtwerke, MA 48 (Abfallwirtschaft), Tierschutz und Umwelt an ihren Parteikollegen Jürgen Czernohorszky abgeben musste, eilig, sich in ihrem neuen Ressort zu profilieren. Über Details zum geplanten Projekt schweigt sie derzeit aber noch. Man stecke gerade in der Vorbereitung, heißt es aus ihrem Büro. Nur eines wollte Simas Sprecherin auf Falter-Anfrage verraten: man plane im ersten Halbjahr dieses Jahres eine Bürgerbeteiligung zum Projekt Markthalle. Die aber könnte Simas Vorstellung bereits zu Beginn kippen, denn ihre Vision, das zeigen die Postings unter dem von der Stadträtin auf Facebook veröffentlichten Rendering, kommt nicht gut an: "überdimensionale Tankstelle", "Albtraum", bis zu "überdimensionaler Carport" lauten dort die Kommentare.

Der geplante Architektenwettbewerb könnte das auf den Renderings drohende Übel eventuell verhindern. Solche sind bei öffentlichen Aufträgen, die über 100.000 Euro kosten nicht nur gesetzlich vorgeschrieben, sondern auch aufgrund der besonderen Lage inmitten der bedeutendsten Jugendstilgebäude der Stadt absolut sinnvoll. Doch einen Wettbewerb mittels Umweg über Tochterfirmen zu umgehen ist keine Unmöglichkeit, zumal Sima bekanntermaßen nicht viel von Architektenwettbewerben hält. Das sagte sie selbst 2016 in einem Falter-Interview: Sie verteueren die Baukosten, seien langwierig. "Und dann haben wir möglicherweise eine Jury, die einen Entwurf präferiert, den wir gar nicht umsetzen wollen." So geschehen im Jahr 2013, als eine Fachjury die Vision ihres Lebensgefährten Josef Thon, Leiter der MA 48, vereitelte: ein Bürogebäude in Form einer Mülltonne.

Ihre Birgit Wittstock


Aus Dem Archiv

Sollten Sie die Geschichte vom Mistkübelbüro verpasst haben, so finden Sie Florian Klenks Bericht hier. Das Gespräch mit Ulli Sima, mit dem sie sich einst den Ärger der Wiener Architektenschaft zuzog, finden Sie hier und die Analyse der damaligen Debatte hier.


Aus Dem Verlag

Wie für die meisten von uns ist Spazierengehen wahrscheinlich gerade zu Ihrem Hobby Nr. 1 avanciert. Wenn Sie Ihre Spaziergänge durch die Hauptstadt mit architektonischen Entdeckungen veredeln möchten, können wir Ihnen zwei Publikationen aus dem Falter Verlag empfehlen: "Geheime Pfade" führt Sie zu den Durchhäusern, Hinterhöfen und versteckten Gassln Wiens, "Faszinierende Wege" zu den Brücken, Stegen und legendären Stiegen der Stadt.


Aus Der Welt

Zwar würden vermutlich alle das vergangene Jahr am liebsten schnell vergessen, aber gleichzeitig wissen wir, dass es uns noch lange beschäftigen wird. Wie die Menschen in unterschiedlichen Teilen der Welt mit der Krise umgegangen sind, erzählt der Arte-Dokumentarfilm "Welt auf Abstand - Reise durch ein besonderes Jahr".


Nachrichten Aus Dem Inneren

Wir freuen uns bekanntzugeben, das Falter-Chefredakteur Florian Klenk Mitgesellschafter der Falter Verlagsgruppe wird. CR und Herausgeber Armin Thurnher hat im Dezember 2020 einen Teil seiner Anteile an ihn abgetreten, Florian Klenk hält nun zehn Prozent an der ST Verlagsbeteiligungsgesellschaft m.b.H. Armin Thurnher und Geschäftsführer Siegmar Schlager begrüßen Klenk in der Runde der Gesellschafter, die Anteile der anderen Gesellschafter bleiben unverändert.

"Ich bedanke mich für das große Vertrauen, das mir Armin Thurnher durch die Übertragung eines Teiles seiner Gesellschaftsanteile entgegenbringt. Der Falter ist seit 23 Jahren meine publizistische Heimat, Armin Thurnher mein Mentor und Förderer. Ich kann nun weiter daran mitarbeiten, die redaktionelle, journalistische und ökonomische Unabhängigkeit des Falter zu garantieren und auszubauen", sagte Klenk in einer gemeinsamen Stellungnahme.


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© Adamah

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