Jan Vermeer Superstar - FALTER.maily #1107
Eine Ausstellung der Superlative ist am vergangenen Sonntag zu Ende gegangen: Die größte Werkschau aller Zeiten mit Bildern des ...
Lockdown, verschärft. Wieder stellt sich so ein Kalt-Warm-Gefühl ein. Es ist das falsche Gefühl. Erinnern Sie sich an den quengelnden Präsidenten der Wirtschaftskammer, der nach Planungssicherheit verlangte, sich aber dann gegen den Chef der Partie, den Bundeskanzler, nicht aufzumucken traute?
Kann es etwas Lächerlicheres geben, als in einer Naturkatastrophe auf Berechenbarkeit zu bestehen? Der Mann, der nach Planungssicherheit rief, setzt sonst darauf, dass die Kräfte des Marktes die Dinge schon in Ordnung bringen.
Das heißt, er behandelt den Markt, etwas von Menschen Gemachtes, wie ein Naturwesen, also etwas Unberechenbares. Von einem Virus verlangen wir, es solle sich verhalten wie eine Ware, mit Ablaufdatum, Herstellungszertifikat und Unbedenklichkeitsgarantie.
Ich übertreibe kaum. Das Virus macht unser Verhältnis zur Natur deutlich. Aber auch unser Verhältnis zueinander. Wir schaffen es nicht, vernünftig mit der Seuche umzugehen. Dabei hat uns der technische Fortschritt überaus schnell Impfstoffe gebracht. So eine Entwicklung dauerte früher viel länger; dass es bei der Zulassung und auch bei der Produktion Probleme geben würde, war Fachleuten von Anfang an klar.
Was die Politik falsch gemacht hat, wissen wir längst. Politiker, die sich vordrängen, um sich erst als starke Männer, dann als Impfheilande zu präsentieren, fallen mit diesen Ego-Strategien und allerlei Ablenkungsmanövern, mit denen sie sonst Wahlen gewinnen, auf die Schnauze. Politikerinnen, die sich wirklich Sorgen machen, kommen besser an. Man erkennt sie daran, dass sie Fachleuten den Vorrang lassen.
Machen wir uns nichts vor: auch Fachleute sind mit Neuem konfrontiert. Die besten unter ihnen erkennt man daran, das sie gerne zugeben, was sie alles nicht wissen. Das soll nicht fatalistisch klingen, im Gegenteil. Einige Dinge wären seit langer Zeit klar gewesen, etwa die zwei Meter Abstand und die FFP2-Maske. Ihre frühe Einführung wäre jedenfalls nützlich gewesen; und besser als das noch dazu meist mit fataler Verzögerung durchgeführte Lock-Up-Lock-Down-Spielchen.
Skepsis ist dennoch nicht abgeschafft; nicht jede Kritik an Maßnahmen ist bereits Covidiotie oder Corona-Leugnung. Andererseits sollte die oberste Regel unseres Verhaltens doch die Rücksicht auf andere sein. Das schützt, nebenbei gesagt, auch uns selbst am besten.
Diese Pandemie zeigt, wie schwer es ist, bei einfachen menschlichen Grundsätzen zu bleiben. Sie macht uns bewusst, was wir stets verdrängen: dass unsere moderne Lebensweise hohe Risiken in Kauf nimmt und diese Risiken immer weiter erhöht. Und dass auch wir Naturwesen sind. Der Dichter Erich Kästner hat es in einem Kalenderspruch unübertroffen zusammengefasst: „,Wird’s besser? Wird’s schlimmer?‘ fragt man alljährlich. / Seien wir ehrlich: Das Leben ist immer lebensgefährlich.“
Wir sollten aufhören, einander mit falschen Gewissheiten und noch falscheren Versprechungen auf die Nerven zu gehen. Oder immer noch zu versuchen, persönlichen Profit aus der Lage zu schlagen, wie der unverbesserliche Herr Bundeskanzler oder die unsäglichen Impfvordrängler.
Das Wichtigste wäre, ernsthaft denen zu helfen, die in Gefahr sind, ihre Existenz zu verlieren. Wir sollten nicht die Dunkelheit bejammern oder die Hoffnung auf das Licht beschwören, sondern endlich beginnen, unaufgeregt miteinander das richtige Benehmen im Tunnel zu lernen. Dort werden wir uns noch ein Weilchen aufhalten.
Haben Sie trotzdem eine schöne Woche,
Ihr Armin Thurnher
In der Seuchenkolumne holt Epidemiologe Robert Zangerle gerade etwas Luft, sodass das andere Personal zu seinem Recht kommt: Der kluge Kater und Herr T., der sich mit Lyrik vordrängt. Inspiriert hat ihn die Rolle der Poesie bei der Inauguration des US-Präsidenten, die bei demokratischen Präsidenten eine programmatische Rolle spielt. Bleiben Sie dran: morgen oder spätestens übermorgen gibt es wieder neues zu Thema Impfstoff. Und so ein Seuchenabo kostet ja nicht viel. Nämlich nichts.
Alexej Nawalny, der wichtigste Oppositionelle Russlands, greift aus der Haft den russischen Präsidenten Wladimir Putin mit Enthüllungen über dessen Luxusanwesen am Schwarzen Meer frontal an. Nawalnys Leben ist in Gefahr. Bei Raimund Löw sind zu hören: die Russlandexpertin und Enkelin des früheren Parteichefs Nina Chruschtschowa (Moskau, Bruno Kreisky Forum Wien), der SPÖ-Europaabgeordnete Andreas Schieder (Wien-Brüssel) und die Osteuropaexpertin Susan Stewart (Berlin) von der Stiftung für Wissenschaft und Politik.
Wer in den verwirrten Kommunikationsverhältnissen wahr von falsch und berechtigte Kritik von blinder Wut nicht mehr unterscheiden kann, wird mit Gewinn dieses Gespräch lesen, das Florian Klenk für den Falter mit dem deutschen Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen führte.