Für Sie persönlich - FALTER.maily #430

Anna Goldenberg
Versendet am 01.02.2021

Die Regierung gibt uns punkto Risikomanagement heißt/kalt. Die Schulen werden nach den Semesterferien zum Präsenzunterricht zurückkehren, die Volksschulen sogar gänzlich. Die Massentests wandern in die Schule. Engmaschig wird kontrolliert. Auch Handel, Museen und Tierparks dürfen unter Auflagen wieder öffnen. Friseure dürfen wieder Haare schneiden – beim Eintritt braucht man einen höchstens 48 Stunden alten Antigentest. Ab kommender Woche dürfen sich wieder zwei Haushalte treffen, sofern die Gruppe nicht aus mehr als vier Menschen besteht. Dafür sollen die Strafen bei Verstößen zur Maskenpflicht erhöht werden, die Grenzen werden stärker überwacht – um keine weiteren Mutationen ins Land einzuschleppen. Und wenn sich die Lage verschlechtert, dann machen wir bald wieder zu.

Für jene, die ihre Arbeit seit Monaten aus dem Homeoffice erledigen, heißt es: Alles beim Alten und weiter wie bisher. Durchschnittliche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bekommen rund 126 Emails am Tag. Deren Bearbeitung nimmt etwa drei Stunden in Anspruch. Die wenigsten Menschen halten sich an die "E-Mail-Charta", einen Klassiker der Online-Etikette aus dem Jahr 2011, die etwa empfiehlt, Kürzel wie "NNTR" ("no need to reply"/ "Antwort nicht nötig") zu nutzen oder auf Dateianhänge zu verzichten. Gerade im Arbeitsumfeld sind Chats längst schneller, Fotos persönlicher und Videotelefonate produktiver. 

Mit dem Lesen dieses E-Mails praktizieren Sie außerdem gerade eine Kulturtechnik, die in Internetjahren gemessen geradezu antik ist. 1971 wurde das erste E-Mail versendet; seit rund 25 Jahren gibt es benutzerfreundliche E-Mail-Programme wie Hotmail. Das Internet verändert sich, nur das E-Mail bleibt gleich und altert kaum. Absender, Empfänger, Betreff, Weiterleiten, Kopie, Blindkopie; alles Elemente, die wir kennen, seit wir online sind.

Warum hält sich das E-Mail so hartnäckig? Im Journalismus hat das Format zudem seit Anfang der 2010er-Jahre eine Renaissance erlebt. Aus "Linkschleudern" wurden eigenständige Newsletter; neben dem Maily, das Sie gerade in virtuellen Händen halten, gibt es seit heute den FALTER.morgen, den meine KollegInnen Soraya Pechtl und Martin Staudinger täglich mit Reportagen und Nachrichten aus Wien füllen. 

In der digitalen Welt, die sich schnell verändert, ist das E-Mail zu einer vertrauten Konstante geworden. "Das E-Mail zuerst, denn es ist für und über mich; dann die Social Media, denn sie sind für und über mich, meine Freunde und meine Kollegen; und schließlich ist da die Anarchie des Webs, denn das ist über, naja, alles", beschrieb der amerikanische Medienjournalist David Carr (1956-2015) seine eigene "digitale Hierarchie" 2014 in den New York Times.

Dieses E-Mail gehört also nur Ihnen.

Viel Vergnügen damit wünscht,

Ihre Anna Goldenberg


Corona

Mehr zu den neuen Lockdown-Regeln lesen Sie morgen Früh im FALTER.morgen!


Think Tank

Worin die Schwächen der Lockdown-Verordnung bestehen, hat der Politikwissenschaftler und Journalist Moritz Moser in seinem Beitrag für den FALTER Think-Tank aufgeschrieben. Denn dass die Verordnung sich auf die Notwendigkeit stützt, den Zusammenbruch des Gesundheitssystems zu verhindern, ist inhaltlich nachvollziehbar, juristisch aber heikel. Warum lesen Sie hier!


Linktipp

Wo E-Mail, da Betrug. Phishing-Mails kennen wir alle. Oder? Laut einer Studie aus dem Vorjahr, die im Fachjournal Comprehensive Results in Social Psychology veröffentlicht wurde, schätzen wir das eigene Risiko, auf ein Phishing-Mail reinzufallen, deutlich geringer ein als jenes der anderen. Warum? Um einzuschätzen, wie sich die anderen verhalten würden, orientierten sich die Befragten an den vorhandenen Zahlen – beim eigenen Risiko allerdings nicht. Da denken wir nämlich nicht strategisch, sondern vertrauen eher den eigenen Erfahrungen als objektiven Zahlen.


Zum Lesen

Der Kulturtechnik des Bücher-Lesens frönen wir beim FALTER übrigens mit Vorliebe im FALTER-Buchclub. Mittlerweile tauschen sich dort beinahe 10.000 Mitglieder regelmäßig über Bücher und Literatur aus und geben einander Leseempfehlungen. Eine ebenso belesene wie freundliche Community in entspannter Atmosphäre – wir freuen uns, wenn Sie auch dazustoßen!


Aus Dem Verlag

Nicht nur die E-Mail-Technologie, auch wir selbst werden unweigerlich älter. Ein mitunter beschwerlicher, manchmal gar beängstigender Prozess. Der Autor Peter Scheer fürchtet sich angeblich vor fast nichts, auch nicht davor, über Tod und Todesangst, Wunschträume über Erlösung und Ende, Sehnsüchte, Ängste, Hemmungen und die ganz alltäglichen Sorgen zu reden. In seinem Buch "Lust aufs Altern", das im Falter Verlag erschienen ist, versammelt er unkonventionelle Gedanken über das Älterwerden und bleibt dabei stets humorvoll und ehrlich.


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