Eine Frage der Moral - FALTER.maily #1051
Anstand und Moral haben sich in der Debattenkultur einen fragwürdigen Ruf erworben. Wenn Argumente fehlen, kann man sich immer noch auf die ...
Greta Thunbergs Verzichtsgesellschaft zeigt ihr ungeschminktes Haupt. Konservative Kommentatoren verfielen in Schnappatmung, als die rot-grüne Stadtregierung in Hamburg verkündete, im Bezirk Nord den Bau von Einfamilienhäusern zu canceln. "Sie verbieten – bislang nur in Hamburg – den Menschen den Traum vom Eigenheim", sagte der CDU-Politiker Henneke Lütgerath.
Auch in Österreich ist es an der Zeit, über ein Verbot dieses städtebaulichen und ökologischen Albtraums nachzudenken. Einfamilienhäuser fressen zu viel Bodenfläche und Ressourcen. Täglich werden 15 Hektar zubetoniert, ein nicht unbeträchtlicher Teil mit Fundamenten für private Wohnhäuser. Auch aus Sicht der Verkehrsplanung sind die Doppelgaragen mit angeschlossenem Wohntrakt ein Desaster, da sie in Gegenden fernab von Eisenbahn- und Buslinien entstehen.
Noch immer wird das Eigenheim mit naturfernem Rollrasen oder Schottergarten zum Ideal eines gelungenen Lebens hochstilisiert, als Schloss für den kleinen Mann. Der Platzbedarf drückt sich in Zahlen aus. 45,3 Quadratmeter beträgt die durchschnittliche Wohnfläche pro Person, ein Wert, der nur durch viel zu große Einfamilienhäuser zustande kommt. In Deutschland befinden sich 31 Prozent aller Wohnungen in Einfamilienhäusern. Sie benötigen aber 41 Prozent der Fläche. In Österreich dürfte die Situation ähnlich sein.
Häuslbauer betonieren jeden Zentimeter zu, den die Bauordnung zulässt. Für Familien mit Kindern geplant, stehen die Lebensprojekte später dann wie Trutzburgen der Individualisierung in der Landschaft, gut geheizt und leer. Siedlungen mit mehreren Wohnungen und gemeinsam genutzter Infrastruktur wären eine Alternative für jene, die es in urbanen Superblocks nicht aushalten. Verbietet das Einfamilienhaus! Damit hätte die grüne Opposition im Wiener Rathaus ein Thema mit Reizpotential.
Ihr Matthias Dusini
1983 sangen die Talking Heads "Brennt das Haus nieder!", ohne erkennbare stadtplanerische Intention. Das grafische Feilen am Cover mit Altmeister Robert Rauschenberg dürfte mehr Zeit beansprucht haben. Songschreiber David Byrne rief damals dazu auf, nicht noch mehr Sinn zu produzieren. Der New-Wave-Dadaist hat sich längst zum Fahrrad-Buddhisten entwickelt.
"Alle die, die mir nah waren in diesem Jahr und viel zu weit weg, alle meine Liebsten, sie sind meine Festung", schreibt der Schauspieler und Musiker Robert Stadlober in der FALTER:WOCHE. Künstlerinnen und Künstler erzählen in der Serie "Aus meiner Festung" von ihrem Leben im Lockdown.
In der neuen Folge des FALTER-Buchpodcasts "Besser lesen mit dem Falter" stellt David Schalko sein aktuelles Buch "Bad Regina" vor (Sebastian Fasthuber hat es hier für Sie rezensiert). Im Gespräch mit Petra Hartlieb beschreibt Schalko seine Faszination für Groteskes, erzählt vom Skiurlaub in Bad Gastein und dem Unterschied zwischen Filmemachen und Bücherschreiben. Schließlich stellt Ihnen Kirstin Breitenfellner, im FALTER für das Sachbuch zuständig, noch zwei spannende Neuerscheinungen vor.
Wenn wir schon kaum Impfstoffe erhalten, wie sieht es dann im Rest der Welt aus? Das FALTER-Radio beleuchtet diesmal, wie der Impfnationalismus der reichen Staaten den globalen Süden bedroht. Im Gespräch mit Raimund Löw hören Sie: aus Swasiland den Arzt Bernhard Kerschberger, den Europaabgeordneten Lukas Mandl (ÖVP), die Soziologin Shalini Randeria (Institut für die Wissenschaften vom Menschen) und den 'Ärzte ohne Grenzen'-Experten Marcus Bachmann.
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