Was wir von Affen lernen

Anna Goldenberg
Versendet am 19.03.2021

"Wenn man Affen Puppen, Geschirr, Autos und Bälle zum Spielen anbietet, greifen die weiblichen Tiere in ihrer überwältigenden Mehrheit zu Puppen und Geschirr, die männlichen zu Autos und Bällen." Das schrieb Peter Michael Lingens im Falter vergangene Woche. Die "These einer epigenetisch etwas größeren Technikaffinität von Männern" sei deshalb nicht ganz abwegig – und würde deshalb gemeinsam mit dem etwas besseren räumlichen Vorstellungsvermögen von Männern einen Teil des männlichen Gehaltsvorsprungs erklären. Schließlich sind Frauen in gut bezahlten Technikberufen nach wie vor in der Minderheit. Die Rollenbilder, so Lingens, würden die wesentlichste Rolle bei der Berufswahl spielen.

Für seinen Text erntete Lingens viel Kritik. Zu Recht? Die zitierte Studie hat die Neurowissenschaftlerin Melissa Hines im Jahr 2002 veröffentlicht. Auch weil die Ergebnisse so umstritten waren, sei es schwer gewesen, die Studie in einer Fachzeitschrift unterzubringen, erzählt Hines, die nun an der Universität von Cambridge forscht. Dabei sieht sie die Ergebnisse nur als einen "Puzzlestein" in der Erforschung von Geschlechtsunterschieden.

"Wir sehen, dass es eine angeborene Prädisposition gibt, dass Buben und Mädchen unterschiedliches Spielzeug bevorzugen", sagt Hines. "Aber das ist nur ein Teil der Geschichte." Man weiß auch, dass viele Eltern ihre Kinder je nach Geschlecht zum Spielen mit anderen Spielzeugen animieren, dass Kinder dazu neigen, sich in ihrem Verhalten an die jeweiligen Geschlechterstereotype anzupassen. Lassen sich diese Faktoren auseinanderhalten? Die "Nature versus nurture"-Debatte sei wenig hilfreich, sagt die Neurowissenschafterin: "Fast alles ist sowohl angeboren wie auch erworben."

Kann man von dem Experiment, das mit grünen Meerkatzen, einer Primatenart, durchgeführt wurde, auf die "epigenetisch etwas größeren Technikaffinität von Männern" schließen, wie unser Kolumnist es tut? Nein, sagt Hines. "Interesse in Technik ist etwas anderes." Ein Topf kann schließlich genauso "technisch" sein wie ein Ball. Technikaffinität hängt mit dem räumlichen Vorstellungsvermögen zusammen, allem voran die Fähigkeit der mentalen Rotation, also das Drehen von Objekten im Kopf. Hier sind, wie auch Lingens schreibt, Männer tatsächlich im Schnitt besser – doch der Unterschied zu Frauen ist klein.

Wer etwas ändern will, setze also am besten dort an, wo man auch etwas verändern kann. Nämlich in der Gesellschaft.

Das wünscht sich

Ihre Anna Goldenberg


Hinweis

Melissa Hines und ihrer Forschung begegnete ich erstmals vor rund zehn Jahren, als ich ihr Seminar "Gender development" an der Universität Cambridge besuchte. Hines' Schwerpunkt liegt auf dem Einfluss von Sexualhormonen auf das Verhalten. Sie zeigte etwa, dass Mädchen, bei denen aufgrund des adrenogenitalen Syndroms mehr männliche Sexualhormone ausgeschüttet werden, eher "typisch männliche" Verhaltensweisen – etwa bei der Spielzeugauswahl – vorweisen. In einer anderen, kürzlich erschienen Studie zeigte eine von Hines' Studentinnen, dass unter Völkern, die kaum Kontakt mit westlichen Gesellschaften haben, Buben und Mädchen die Farbe Pink gleich gern mögen.


Noch Ein Hinweis

Die Kritik unserer Leserinnen und Leser bezog sich auf mehrere Punkte in der Kolumne von Peter Michael Lingens. Lesen Sie hier eine Auswahl der Zuschriften.


Zum Nachschaün

Gestern wurde des Buch "Stille Stadt. Wien und die Corona-Krise" präsentiert, das kürzlich im Falter Verlag erschienen ist. Es wurde ein spannender Austausch über die Veränderung von Mensch und Stadt, als es in Wien plötzlich ganz still wurde. Hier können Sie das Gespräch der beiden Buchmacher Peter Payer (Text) und Christopher Mavrič (Fotos) mit Barbara Tóth nachschauen.


Podcast

Diese Woche sind im FALTER-Podcast einige höchstinteressante Episoden erschienen: Sie befassten sich mit dem Tabu Suizid, dem langen Schatten des Anschlusses Österreichs an das Deutsche Reich sowie mit Aufdeckerinnen- und Zudeckerjournalismus. Morgen Früh erscheint ebendort ein Porträt der investigativen Journalistinnen und Journalisten von Bellingcat, die mit neuartigen Methoden recherchieren und unter anderem Putins Agenten auf der Spur sind.


Aus Dem Falter 1

Nach dem Interview bei Oprah Winfrey gab es viel Mitgefühl und Sympathie für Meghan Markle. Unter jenen, die sie kritisierten, waren hingegen auffällig viele privilegierte weiße Männer. Das Interview zeigte auch, wie sehr sich die Medienwelt 2021 verändert hat, analysiert unsere Autorin Tessa Szyszkowitz aus London.


Aus Dem Falter 2

Haben Sie sich schon mal vorgestellt, reich zu sein? Nicht "ein-Haus-am-Land-und-ein-dicker-Mercedes-in-der-Garage"-reich. Sondern richtig reich, superreich! Wie das wohl ist? Lukas Matzinger hat für seine Reportage im aktuellen Falter einen Investmentbanker, einen Schlossherrn und eine Erbin, die Millionen verschenken will, besucht. Ein spannender Einblick in das Leben "ganz oben".

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