Aus dem Leben eines Kritikers - FALTER.maily #1045
Übermorgen erscheint die nächste Ausgabe der FALTER-Buchbeilage. Gerlinde Pölsler (Sachbuch), Kirstin Breitenfellner (Kinderbuch) und ...
vielleicht haben Sie die traurige Nachricht schon gelesen: Hugo Portisch ist im Alter von 94 Jahren verstorben. Mit ihm tritt einer der wichtigsten Journalisten Österreichs ab. Er kämpfte zeit seines Lebens für Medienfreiheit. Er lehrte uns als "Geschichtslehrer der Nation", eine kritische, aufgeklärte Sicht auf Österreichs Vergangenheit. Mit seinen Reisereportagen öffnete er dem vermieften Nachkriegsösterreich den Blick in die Welt.
Weniger bekannt ist, dass Portischs Karriere auch ein Ergebnis der cleveren "Reeducation"-Politik der Amerikaner ist.
Beamen wir uns in die späten 1940er-Jahre zurück. Der Zweite Weltkrieg ist vorbei. Die intellektuelle Zeitungslandschaft, wie es sie vorher gab, ist vernichtet. Viele exzellente Journalistinnen und Journalisten waren jüdisch, sozialistisch, kommunistisch – und damit mehrfache Feinde des Nazi-Regimes. Sie konnten, wenn sie Glück hatten, fliehen, doch viele wurden vertrieben oder ermordet.
In vielen Redaktionen gaben "Ehemalige" den Ton an, Parteigänger, die ab April 1948 als "minderbelastete" ehemalige Nationalsozialisten wieder arbeiten dürften. Kritische Aufarbeitung der NS-Verbrechen? Demokratischer Wiederaufbau? Qualitätsjournalismus? Fehlanzeige.
Um dagegenzuhalten, erfanden die Amerikaner das "Exchange of Persons"-Programm. Ausgesuchte junge Journalisten mit Potenzial bekamen Praktika bei großen US-Blättern vermittelt, um den Unterschied zwischen Parteipropaganda ins Blatt heben und echtem Journalismus zu lernen. Einer dieser Talente war Hugo Portisch. Seine Lehrzeit bei der New York Times und der Washington Post im Jahr 1950 prägten sein Denken und Schreiben maßgeblich.
Was ist Hugo Portischs Vermächtnis? Journalistische Exzellenz braucht den Blick über den Tellerrand, die kritische Distanz und eine solide Ausbildung. Eine Runde Reeducation würde unserer Branche ganz sicher nicht schaden.
Genießen Sie den lauen Gründonnerstag-Abend!
Ihre Barbara Tóth
2013 führten Florian Klenk, Benedikt Narodoslawsky und Wolfgang Zwander ein ausführliches Gespräch mit Hugo Portisch über seine TV-Dokumentationen, die Hunderttausenden Österreicherinnen und Österreichern die schwierige und unerfreuliche Zeitgeschichte ihres Landes verständlich gemacht hatten. Das Ende des Zweiten Weltkriegs beschrieb Portisch im Gespräch mit folgenden Worten: "Das war der schönste Moment meines damaligen Lebens." Wir haben das Interview für Sie freigeschaltet.
Erst vor wenigen Monaten erschien die Autobiografie von Hugo Portisch unter dem Titel "Aufregend war es immer". Portisch gibt darin sehr persönliche Einblicke in sein Leben, verknüpft dabei aber stets geschickt seine eigene mit der Zeitgeschichte.
Im aktuellen FALTER-Podcast hören Sie einen Wegbegleiter von Hugo Portisch: Alt-Bundespräsident Heinz Fischer. Bei Raimund Löw diskutiert er gemeinsam mit dem Buchautor Herbert Lackner ("Rückkehr in die fremde Heimat") sowie der Historikerin Gabriele Hauch, wie Österreich nach 1945 die Tore für vertriebene jüdische Dichter und Denkerinnen geschlossen hielt. Das Gespräch eröffnet einen neuen Blick auf ein trauriges Kapitel heimischer Zeitgeschichte.
Im FALTER-Buchpodcast ist diesmal Lilly Maier zu Gast. Sie präsentiert ihr neues Buch "Auf Wiedersehen, Kinder" über den Reformpädagogen und Retter jüdischer Kinder, Ernst Papanek, und spricht mit Petra Hartlieb darüber, was wir heute noch von dessen Handeln lernen können. Schließlich empfiehlt FALTER-Redakteurin Stefanie Panzenböck noch die beiden Romane "Wut" von Harald Martensteiner und "Fang den Hasen" von Lana Bastašić. Hören Sie rein!
Sollten Sie dieses Maily direkt nach Erhalt rund um 19h lesen, empfehle ich Ihnen, ohne Umschweife diesem Link zu folgen, an dessen Ende Sie ein Livegespräch von Peter Huemer mit dem Migrationsexperten Gerald Knaus erwartet. Bei diesem Wiener Stadtgespräch, organisiert von FALTER und Arbeiterkammer, macht Knaus Vorschläge, wie die EU-27 endlich zu einer humanen Migrations- und Asylstrategie finden können. Dass das möglich ist, davon zeigt sich Knaus überzeugt.
Was Essen zu Ostern? Saftiges, mildes Biolamm aus dem Waldviertel von der FLEISCHEREI RINGL, 1060 Wien, Gumpendorfer Straße 105. Bei uns bekommen Sie Lammschlögel, Lammschulter und Lammrücken in Bioqualität, dazu für Innereien-Liebhaber, Feinstes vom Lamm! Für ein Ostern, das alle Stückerl spielt!