Im Stall - FALTER.maily #496

Florian Klenk
Versendet am 20.04.2021

heute ist eine Premiere. Ich bin zwar seit bald einem Vierteljahrhundert beim Falter beschäftigt, aber noch nie durfte ich am Titelblatt posieren. Vermutlich werden Sie mich aber gar nicht erkennen. Ich trage eine Maske vor dem Gesicht und einen Wegwerfoverall, der mein Haar bedeckt. Ich bin verkleidet wie ein Chirurg und im Arm halte ich ein zitterndes Ferkel.

Warum die Kostümierung? Vergangene Woche habe ich einen St. Pöltener Schweinebauern besucht, den Tierschützer mit versteckter Kamera dabei filmten, wie er seine Ferkel ohne Betäubung kastrierte und auf ein Schwein einschlug. Der Bauer hatte mich auf meine Bitte hin zu sich eingeladen, weil er meine Berichte über Christian Bachler gelesen hat. Er wolle nichts beschönigen, sagte er. Aber er ist der Meinung, dass wir die Fabriken sehen sollten, in denen unsere Schnitzel wachsen.

Ich wollte wissen, wieso der Ferkelzüchter so brutal arbeitet, wieso er 500 Tiere pro Jahr in die Mülltonne wirft und wie er über seine Tierfabrik denkt.

Wir haben nach dem Rundgang im beißend riechenden Stall in seiner Küche bis ein Uhr nachts über Schweinezucht in Österreich debattiert, ich habe lange zugehört, das Speckbrot dankend abgelehnt, mit seinem Tierarzt gesprochen, aber auch den pensionierten Amtstierarzt Rudolf Winkelmayer interviewt, einen ehemaligen Großwildjäger, der nach Lektüre tierrechtlicher Schriften zum Veganer wurde.

Vor allem habe ich mich durch Dutzende Fotos und Videos geklickt, die Tierschützer mit versteckter Kamera in den Schweinezuchten Österreichs aufgenommen haben. Es sind jene Bilder, die Supermärkte, Fleischbetriebe und die AMA mit hohem Werbeaufwand von uns fern halten. Mein Dank gebührt hier vor allem den Aktivistinnen und Aktivisten vom VGT und von Vier Pfoten, deren investigative Dokumentationen von Tierleid immer noch unverzichtbar sind (und zwar auch deshalb, weil die Amtstierärzte oft zu lasch kontrollieren).

Meine Reportage über den Schweinezüchter und seine Sicht auf das System können Sie jetzt hier lesen, wenn Sie noch kein Abo haben, testen Sie den Falter gratis hier. Nur dank unserer AbonnentInnen können wir unabhängig recherchieren.

Ich habe Ihnen in der Reportage die grässlichen Szenen nicht erspart, aber die Geschichte endet hoffnungsvoll und in fünf Jahren, versprochen, werde ich sie fortsetzen. Das haben der Bauer und ich so ausgemacht. Er will nämlich nach dem Blick in den Spiegel nicht mehr so weiter machen.

Bleiben Sie gesund!

Ihr Florian Klenk


Eine Offene Frage

Warum interessiere ich mich in jüngster Zeit so sehr für Landwirtschaft? Normalerweise suche ich die sauren Wiesen ja in der Politik und investigiere, wenn es um Korruption und Vetternwirtschaft in der Regierung geht. Ich kann es verraten: Ich arbeite seit Jänner an einem Buch über meine Begegnung mit Christian Bachler, jenem Wutbauern, der mich zuerst wegen einer Reportage über das Kuhurteil beschimpfte, mich dann zu einem Praktikum auf seinen Hof einlud und dessen Betrieb wir mit einer unglaublichen Spendenaktion vor der Raiffeisenbank Murau gerettet haben.

Im Herbst wird mein Buch hoffentlich erscheinen. Es wird darin nicht nur um Bachler gehen, sondern auch um den Hof meiner Vorfahren, den bäuerlichen Phantomschmerz, der unser Land plagt und um die Irrungen der Politik. Eine Analyse über das mangelnde Vermögen unserer ÖVP-Landwirtschaftsministerin, die Gemeinsame Agrarpolitik auf europäischer Ebene mitzugestalten, hat Gerlinde Pölsler hier aufgeschrieben.


Aus Dem Falter 1

Weil wir schon bei den Tieren sind. Unser neuer Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein ist auch Tierschutzminister. Gestern wurde er in Turnschuhen angelobt. Politik-Chefin Eva Konzett und Natur-Ressortleiter Benedikt Narodoslawsky haben sich angesehen, welches Amt Mückstein da erbt und was ihn in der der Pandemiebekämpfung erwartet. Die Analyse lesen Sie hier.


Aus Dem Falter 2

Außerdem lesen Sie im aktuellen Falter über den Krieg, in dem sich der slowenische Premier Janez Janša mit der Medienszene seines Landes wähnt. Klaus Nüchtern hat den Autor Christian Baron interviewt, der jüngst eine Anthologie zum Thema "Klasse und Kampf" herausgegeben hat. Und Maik Novotny und Birgit Wittstock haben sich angesehen, wie Ulli Sima (SPÖ) ihren Job im ehemals grünen Wiener Planungs- und Mobilitätsressort auslegt.


Falter Woche

Die 93. Oscar-Gala findet am Sonntag als erste ihrer Art unter den Bedingungen einer globalen Pandemie statt. Wer ins Rennen um die kleinen Goldstatuen geht und wer sie erhalten sollten, haben Michael Omasta und Sabina Zeithammer für Sie aufgeschrieben. Der Künstler Willy Puchner erzählt in der Reihe "Aus meiner Festung" vom Leben mit Katzen, Gespenstern und vielen Listen; Klaus Nüchtern porträtiert die Illustratorin Pascale Osterwalder, deren Seifenspender-Zeichnungen – sie erscheinen seit einem Jahr in unserer Kultur- und Programmbeilage – nun auch als Buch vorliegen; Miriam Damev weiß, was der neue "Parsifal" an der Staatsoper kann, und Nicole Scheyerer hat der jungen Künstlerin Sophie Gogl einen Atelierbesuch abgestattet.


Podcast

Google Alerts für anstehende Hausdurchsuchungen bei Politikern, Pilnacek-Fenstersticker und die OMV-Bespitzelung als Umweltschutzmaßnahme: Florian Scheuba sprudelt in der aktuellen Episode von "Scheuba fragt nach..." im FALTER-Radio nur so vor Ideen und bespricht sie neben der Justiz-Affäre mit dem Staatsanwalt und ehemaligen Präsidenten der internationalen Staatsanwältevereinigung Gerhard Jarosch. Das sollten Sie nicht verpassen!


Job Des Tages

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