Okay, Millennial!

Matthias Dusini
Versendet am 12.05.2021

ich bin kein Babyboomer. Die neuseeländische Politikerin Chlöe Swarbrick reagierte auf die Unterbrechung durch einen älteren Kollegen 2019 mit dem Sager "Okay, Boomer!" und lieferte damit die griffige Formulierung für einen Generationenkonflikt. Die Generation der Besserwisser habe lange genug erklärt, warum Political Correctness ein Irrtum und der Klimawandel eine Übertreibung sei. "Verstanden, Babyboomer!"

Seitdem Amira Ben Saoud im Standard eine sweete Kolumne mit dem Titel "Okay, Boomer" veröffentlicht, frage ich mich, ob auch ich damit gemeint bin. Bisher assoziierte ich mit Babyboom das Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit, in der die Familien genug Geld hatten, um sorglos Kinder in die Welt zu setzen. Wikipedia sagt mir, dass diese Alterskohorte 1964 endet. Puh, Glück gehabt. Denn mit dem Lebensstil der älteren Geschwister, die aussahen wie Janis Joplin oder aussehen wie Ernst Molden (der in dieser Falter-Ausgabe ausführlich zu Wort kommt), wollten wir nichts zu tun haben. Die Babyboomer trugen Batikkleider und indischen Schmuck, wir wollten Bomberjacke und Schmuseratte.

Doch offensichtlich verläuft die Bruchlinie gar nicht zwischen den Jungen und den Alten, sondern zwischen den ganz Jungen und den Jüngeren. Die Jetzt-Autorin Elisabeth Krainer rechnet in ihrem Essay "Warum ich mich schäme, ein Millennial zu sein" mit den heute Dreißigjährigen ab. Die sogenannten Millennials hätten sich in ihre hedonistischen Enklaven geflüchtet und dabei den miserablen Zustand des Planeten vergessen. Die milde Sonne der Ambivalenz strahlte auf jene, die mit Sojamilch und Zitronengras aufgewachsen sind.

Nun sei es an der Generation Y, mit den faulen Kompromissen aufzuräumen. Endlich ertönt wieder der harte Riff der Eindeutigkeit. Der Schwarz-Weiß-Kontrast beendet das diffuse Pastell: Fridays for Future o Muerte! Gendersternchen (die Punkratte der GenY) oder Shitstorm!

Wir, die Generation X, dürfen uns beruhigt zurücklehnen. Wenn von Boomern die Rede ist, sind nämlich weder unsere Hippiegeschwister noch wir selbst gemeint. "Okay, Boomer!" heißt so viel wie: "Halt's Maul, Millennial!"

Ihr Matthias Dusini

Anzeige

COFFEE FOR FUTURE – für Klimaschutz und Fairen Handel!

Uns verbinden dieselben Herausforderungen, weil wir auf derselben Erde leben. Deshalb braucht es Zusammenarbeit.“ (Kaffeebauer Charles Kahitison)

Erlesene Arabica Hochlandbohnen aus Uganda und Mexiko, biologisch angebaut, direkt importiert, fair gehandelt. www.eza.cc


Buchtipps

Einen schönen Einblick in die von Selbstoptimierung und Psychotherapie geprägte Welt der Millennials gibt der deutsche Schriftsteller Leif Randt in seinem Roman "Allegro Pastell".

Der Babyboomer Bret Easton Ellis versucht in "White" die zwischen Dünnhäutigkeit und Euphorie schwankende Welt seines Millennial-Liebhabers zu ergründen.

Und der US-Autor Douglas Coupland setzte der desillusionierten, die Midlife-Crisis auf die Zeit Mitte Zwanzig vorverlegenden "Generation X" ein literarisches Denkmal.


Linktipp

Vermissen Sie die innenpolitische Causa Prima in diesem Maily? Keine Sorge, wir haben nicht darauf vergessen. Hier lesen Sie, warum die Wirtschaft- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ein Verfahren gegen Sebastian Kurz und seinen Kabinettschef einleitet und wie dieses politische Novum einzuordnen ist. Hier stellen wir außerdem den Ermittlungsakt der WKStA, an dem der Falter gemeinsam mit dem Profil recherchierte, zum Download zur Verfügung.


Zum Schaün

Wurde in Österreich je ein amtierender Kanzler als Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren geführt? Muss Sebastian Kurz politische Konsequenzen ziehen? Und was würde dem Kanzler im Falle einer Verurteilung drohen? Darüber hat Raimund Löw heute mit FALTER-Chefredakteur Florian Klenk gesprochen. Das Video zum "Kriminalfall Kurz" können Sie auf unserem Youtube-Kanal ansehen oder als Podcast im FALTER-Radio anhören.


Erratum

Gestern haben wir Ihnen an dieser Stelle das Wandern im Wienerwald schmackhaft gemacht, mit 33 Wanderungen und 7 Stadtspaziergängen, die es so im Wienerwald natürlich nicht gibt, sondern im Waldviertel. Wir bedauern das und bedanken uns bei unseren aufmerksamen LeserInnen für die Hinweise.

Unsere Empfehlung möchten wir trotzdem unterstreichen: Gehen Sie doch Wandern im Waldviertel und ab 17.05., wenn das Buch wieder im Falter Verlag erhältlich ist, empfehlen wir Ihnen auch das Wandern im Wienerwald!


Aus Dem Verlag

Am 19. Mai endet in Wien der Lockdown und auch die Restaurants machen endlich wieder auf. Sollten Sie nach 14 Monaten Pandemie in Sachen Restaurants etwas eingerostet sein, legen wird Ihnen "Wien, wie es isst", den famosen Lokalführer aus dem Falter Verlag an Herz. Jetzt auch als App erhältlich!

Anzeige

Vive le cinéma! Endlich heißt es wieder Film ab im Stadtkino im Künstlerhaus! Begegnen Sie Fellinis 8½, Christoph Schlingensief oder Greta Thunberg wieder auf der großen Leinwand und feiern Sie mit uns gemeinsam das Kino - im Herzen der Stadt am Karlsplatz. Hello again!


Das FALTER-Abo bekommen Sie hier am schnellsten: falter.at/abo
Wenn Ihnen dieser Newsletter weitergeleitet wurde und er Ihnen gefällt, können Sie ihn hier abonnieren.
Weitere Ausgaben:
Alle FALTER.maily-Ausgaben finden Sie in der Übersicht.

"FALTER Arena - Journalismus live" - Baumann/Klenk/Niggemeier/Thür - 1. Oktober, Stadtsaal
Diskussion zum Thema "Lügenpresse? Die Vertrauenskrise des Journalismus"