Je suis SPÖ - FALTER.maily #1050
Bevor China die schlimmsten Seiten von Kommunismus und Kapitalismus zur Nationalphilosophie erhob, gab es dort einige interessante Denker. Huainanzi ...
Falter-Herausgeber Armin Thurnher schreibt jeden Tag eine wunderbare Seuchenkolumne und manchmal überlässt er seine Reichweite dem Epidemiologen Robert Zangerle, der Kraft seines Wissens und seiner Einblicke aufklärt und informiert. Das wird dann immer etwas länger, aber wir lernen was dabei.
Das bringt mich heute auf eine Idee. Ich überlasse dieses Maily dem Ibiza-Staatsanwalt Matthias Purkart, der vergangene Woche von der ÖVP massiv attackiert wurde und zitiere hier wortwörtlich, was er vor dem U-Ausschuss gesagt hat.
Purkart ist der zweite Staatsanwalt, der unter Wahrheitspflicht die Öffentlichkeit warnt, dass nicht nur von den Politikern (das sind wir ja gewohnt), sondern auch von seinen Vorgesetzten unzulässiger Druck ausgeübt werde. Seine Kollegin Christina Jilek, eine der wichtigsten Anklägerinnen der WKStA im Ibiza-Casinos-Komplex, hatte deshalb ja schon im Winter diese Einblicke in die internen Intrigen gegeben und ihren Job hingeworfen. Offenbar geht das Kesseltreiben weiter. Am Wort ist also Purkart. Leider sind seine Worte vor dem U-Ausschuss vergangene Woche – wieder einmal – verpufft. Grund genug, sie zu dokumentieren:
"Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete!
Ich hatte vor fast genau einem Jahr die Gelegenheit, Ihre Fragen zu beantworten und meine Wahrnehmungen insbesondere zum Untersuchungsgegenstand der Ibizaermittlungen wahrheitsgemäß darzulegen. Es ist in der Zwischenzeit wahrlich viel passiert, und ich möchte Ihnen vor meiner heutigen Befragung einen kurzen, aktuellen Überblick geben. Was als Ermittlungen wegen Spenden an Vereine vorbei am Rechnungshof – das war zumindest der Vorwurf – begann, ist nun ein Ermittlungskomplex, der immer umfangreicher wird.
Wir ermitteln in Bezug auf einen Hintergrunddeal der Novomatic, die im Zusammenhang mit der Bestellung des Herrn Mag. Sidlo steht. Wir ermitteln im Zusammenhang mit der Entsendung von Dr. Stieglitz in den Aufsichtsrat der Asfinag. Wir ermitteln im Zusammenhang mit einer Novelle des Glücksspielgesetzes, die für Herrn Peter Zanoni eingebracht werden sollte. Wir ermitteln im Zusammenhang mit Bestechungszahlungen der Novomatic, die über einen Steuerberater hätten geleistet werden sollen oder geleistet worden sind. Wir ermitteln im Zusammenhang mit Zahlungen der Novomatic an das Institut für Sicherheitspolitik. Wir ermitteln wegen Abgabenhinterziehungen im Zusammenhang mit Schenkungen durch den Eigentümer der Novomatic, Johann Graf. Wir ermitteln im Zusammenhang mit einem Spendenangebot der Novomatic an die ÖVP. Wir ermitteln in Bezug auf Spenden der PremiQaMed an die ÖVP.
Wir ermitteln also in wirklich sehr, sehr vielen Sachverhaltskomplexen gleichzeitig, die dann natürlich alle auch einen gewissen Zusammenhang haben. Sie haben einen Zusammenhang in personeller Hinsicht, aber auch in sachlicher Hinsicht. Es liegt in der Natur dieser Sachverhalte, dass sie hochpolitische Prozesse wie die Gesetzgebung oder Postenbesetzungen in Staatsunternehmen sind. Da spielt sich auch einiges hinter den Kulissen ab. Ich glaube, das haben unsere Ermittlungen durchaus ergeben.
Es ist kein Geheimnis, dass die Daten die Erkenntnisquelle schlechthin sind. Wir müssen sie sehr umfangreich und mit großer Akribie auswerten und dieses Puzzle Stück für Stück zusammensetzen, weil wir nur so die Prozesse im Hintergrund verstehen und den Tatverdacht sinnvoll aufklären können. Dass sich hier fortlaufend neue Erkenntnisse auftun, wissen Sie über die Aktenvorlage. Es werden sich mit großer Wahrscheinlichkeit auch weiterhin neue Erkenntnisse ergeben, nachdem unsere Auswertung noch nicht abgeschlossen ist.
Seit meiner letzten Befragung kamen viele weitere Fakten hinzu, die einen unmittelbaren Zusammenhang mit der Sachverhaltsaufklärung in diesem Ermittlungskomplex haben, darunter insbesondere auch etliche Verfahren wegen falscher Beweisaussage. Dass wir im Gegenstück zahlreiche Sachverhalte geprüft und bereits erledigt haben, teils brisante Zufallsfunde im Zuständigkeitsbereich anderer Staatsanwaltschaften diesen auch übermittelt haben, sei am Rande erwähnt.
Wir haben mittlerweile auch das erste Faktum mit einem Strafantrag zu Gericht gebracht. Wie Sie wissen, kann ich Ihnen heute natürlich trotz Ihres brennenden und berechtigten Interesses aus laufenden Ermittlungen, Chats zu einzelnen Personen und einzelnen Chatnachrichten wegen möglicher Ermittlungsgefährdungen nur äußerst eingeschränkt Auskunft geben. Ich möchte mich bedanken, dass Sie dies bei meiner letzten Befragung durchwegs respektiert haben.
Sie werden sich aber sicherlich auch dafür interessieren, wie die Ermittlungen jetzt an sich laufen, und auch dazu will ich Ihnen ein Update geben. Wir haben als WKStA, wie Sie aus dem Akt, glaube ich, erkennen können, große Teile der Datenauswertung übernommen und führen die Ermittlungen in vielen Bereichen sehr eigenständig.
Das Arbeitsklima mit den Ermittlern der Soko ist weiterhin problemlos – wenn auch aus meiner Sicht weiterhin die Ressourcen fehlen, damit Ermittlungsergebnisse rascher vorliegen.
In Teilkomplexen ermittelt mittlerweile das BAK. Die Zusammenarbeit funktioniert auch hier sehr gut, auch wenn uns auch hier nachvollziehbar geschildert wird, dass die Ressourcen nur sehr begrenzt sind. Im Großen und Ganzen haben wir hier also eine starke, selbstständige Rolle eingenommen und hier in der Sache, denke ich, trotzdem viel weitergebracht.
Leider ist es uns in einem Punkt ganz und gar nicht gelungen, eine Lösung oder Besserung zu finden. Kurz vor meiner Befragung letzten Jahres hat die WKStA gegenüber der Frau Bundesministerin, nachdem zuvor die Ihnen bekannten sogenannten nächtlichen Mails bekannt wurden, dargelegt, welchem Störfeuer wir ausgesetzt sind, nämlich dass wir mit negativer Medienberichterstattung, die Justizinterna enthält, konfrontiert wurden; dass wir eine Reihe von Dienstaufsichtsprüfungen hatten, zu denen es keinen Anlass gab, und uns teils offen, teils nur wenig versteckt vorgeworfen wurde, dass wir gesetzwidrig handeln; dass offensichtlich Fehler bei uns gesucht werden.
Leider konnten wir seither keine Besserung wahrnehmen. Sie haben durch die besorgniserregende Darstellung meiner Kollegin gehört, dass wir – nach dem Termin mit der Frau Bundesministerin – stattdessen mit der zum Personalakt zu nehmenden sogenannten Ausstellung eine weitere dienstrechtliche Maßnahme und eine weitere Eskalationsstufe erleben mussten, die erst, als die Kollegin auf eigene Kosten einen Rechtsanwalt beizog, zurückgenommen werden musste.
Ende letzten Jahres haben ein ehemaliges Kabinettsmitglied und Herr Staatsanwalt Mag. K. Unterlagen an die WKStA übermittelt, die – ich halte hier nur einen Teilaspekt fest – auch ausdrücklich aufzeigten, dass man im BMJ aktiv nach Fehlern der WKStA suchte und es eine Weisung gab, dass die WKStA keine aktive Rolle haben soll. Sie haben diese Unterlagen, weil sie ein Kollege in Entsprechung seiner Pflicht vorgelegt hat, dem man nachher gesagt hat, dass er sich in der Justizhierarchie damit Feinde gemacht hat.
Im Februar 2021 wurde unser Vertrauen in die Oberbehörden rund um gegen ihre Vertreter geführten Ermittlungen nochmals massiv erschüttert. Ich möchte das nur in dem für die WKStA relevanten Teilaspekt kommentieren. Wie Sie wissen, sind wir ständig Vorwürfen bezüglich angeblicher Leaks ausgesetzt, wir müssen minutiös berichten, wer wann was gemacht hat oder zur Verfügung hatte. Wir müssen Verfahren einleiten, weil geplante Maßnahmen verraten worden sein könnten. Und dann erfahren wir, dass jene Stelle, die hier von uns die Rechtfertigungen abverlangt, entgegen der Verschlusssachenordnung selbst heikle Dokumente weitergibt.
Die Inhalte der Chatnachrichten stehen aus meiner Sicht teilweise für sich selbst, und ich will sie nicht weiter kommentieren, außer dass auch hier Dienstaufsichtsbeschwerden gegen uns angeregt wurden. Wir hätten gehofft, dass der dadurch eingetretene Schaden für das Ansehen der Justiz nun endlich Anlass genug ist, dass sich nun eine andere Form der Zusammenarbeit findet. Ich muss Ihnen leider berichten, dass unsere Hoffnungen vor Kurzem wieder zerstört wurden und leider vergebens waren. Letzten Freitag wurde nämlich die nächste Dienstaufsichtsprüfung eingeleitet, dieses Mal im Zusammenhang mit der Causa Kurz wegen falscher Beweisaussage.
Ich kann daher im Ergebnis beim besten Willen nicht nachvollziehen, warum hier weiterhin mit Dienstaufsichtsprüfungen vorgegangen wird, und es lässt mich mit Besorgnis zurück, dass wir nach so vielen Ereignissen immer noch mit derartigen Umständen konfrontiert werden, die die Ermittlungen behindern, weil wir uns stattdessen verteidigen müssen. Es ist dann leider auch stimmig, wenn wir aus den von der Staatsanwaltschaft Innsbruck an die WKStA übermittelten Aktenstücken ersehen, dass bei der Oberstaatsanwaltschaft 103-seitige Dossiers über – ich zitiere – durchwegs dienstrechtlich relevante Wahrnehmungen in Bezug auf uns Sachbearbeiter des Ibizakomplexes angelegt und der Personalabteilung übermittelt werden.
Dieses Dossier ist uns nicht bekannt. Es wurde bei Mag. Pilnacek gefunden. Unsere Bitte an das Ministerium, dass wir dieses Dossier auch gerne haben würden, weil es ja offensichtlich uns betrifft und wir eigentlich auch gerne dazu Stellung nehmen würden, blieb bislang leider unbeantwortet.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin neben meiner Rolle als Staatsanwalt auch im Dienststellenausschuss tätig, das heißt, ich bin quasi im Betriebsrat im öffentlichen Dienst. Auch aus dieser Perspektive: Ich halte es für keinesfalls üblich und auch nicht erforderlich, dass die Dienst- und Fachaufsicht in dieser Form geführt werden muss. Sie führt dazu, dass ein Klima geschaffen wird, bei dem uns Spitzenkräfte verlassen – das haben Sie auch letztes Mal gehört –, und dass wir auch kaum Bewerber für die Planstellen, die man uns zusagt, finden. Dieses Verhalten hat Sendungswirkung. Da helfen uns dann eben auch die Planstellen nicht mehr, und am Ende stehen langsamere und schlechtere Ermittlungen. Damit wird es nicht nur für uns zum Problem, sondern für die Verfahrensbeteiligten, am Ende für uns alle und den Rechtsstaat.
Bevor ich mein Eingangsstatement beende, will ich – mehr gezwungenermaßen, aber doch – noch ein leidliches Nebenthema ansprechen. Wir sind weiterhin mit Vorwürfen angeblicher Leaks aus der WKStA konfrontiert. Weil das leider nicht abreißt, möchte ich hier klarstellen, dass allen Vorwürfen justizintern nachgegangen wurde und in keinem einzigen Fall feststellbar gewesen ist, dass die WKStA irgendwelche Leaks zu verantworten hätte."
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!
Ihr Florian Klenk
Meinen Kommentar zu diesen ungeheuerlichen Vorgängen lesen Sie hier. Wieso Angriffe auf die Justiz keine Bagatellen sind, schildert und uns Kollege Bartosz Wielinski aus Polen in diesem Gastkommentar.
"Meine eigene Reise an der Spitze der FPÖ ist aber mit dem heutigen Tag zu Ende. Ich wünsche meiner Nachfolgerin/meinem Nachfolger in dieser Funktion viel Erfolg für die Zukunft." Mit diesen Worten verabschiedete sich Norbert Hofer heute via Aussendung von seiner Funktion als freiheitlicher Bundesparteichef. Eine Analyse seines Rücktritts und wie es nun an der FPÖ-Spitze weitergeht, lesen Sie morgen früh im FALTER.morgen. Hier können Sie sich für den kostenlosen Morgen-Newsletter anmelden.
Der Kampf um die Parteilinie zum Thema Corona hat den Konflikt an der FPÖ-Doppelspitze eskalieren lassen. Und auch sonst produzierte die Pandemie Gewinner und Verlierer: Eva Konzett hat in öffentlichen Datenbanken recherchiert, wer uns eigentlich zu welchem Preis mit Antigen-Tests versorgt hat. Nina Horaczek und Barbara Tóth haben Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein getroffen und mit ihm über die nun anstehenden Sozialreformen gesprochen.
Vielleicht haben Sie es ja schon bemerkt. Als einzige Wochenzeitung Österreichs haben wir seit Kurzem ein Naturressort und einen Natur-Newsletter. Benedikt Narodoslawsky leitet dieses feine Gärtlein, nein, er hegt und pflegt es. Sie lesen dort nicht nur über Klimaschützer, Landwirte oder die Fleischindustrie, sondern erfahren auch viel über Tiere und die hohe Kunst der Tierbeobachtung. Diese Woche interviewt Klaus Nüchtern die famose Schriftstellerin Helen Mcdonald, die ihren Essayband Abendflüge vorgelegt hat. Ich selbst lese (nein höre) gerade Mcdonalds Buch "H wie Habicht". Narodoslawsky selbst ist mit seiner aktuellen Natur-Beobachtung in die Politik ausgewichen und legt hier offen, worum es im Streit um den Lobau-Tunnel geht. Und Gerlinde Pölsler widmet sich einem wahrlich absurden Prozess, den der Bauernbund in der Steiermark führt.
Die Fußball-EM beginnt, Österreich spielt mit. Und der Falter? Wie immer bieten wir den großen EM-Planer von DJ DSL (er liegt morgen dem Falter bei, hier können Sie ihn auch online bestellen), die legendäre Wuchtelwette und unser EM-Ressort mit "Tor der Woche" und "Rasenhasen". Nächste Woche geht es los. Aber Lukas Matzinger hat schon diese Woche erklärt, wieso die Fans diesmal etwas verhaltener sind.
Hugo Wiener und Cissy Kraner gehörten zur Wiener Kabarettkultur wie seinerzeit sonst nur Farkas und Waldbrunn. Die Künstlerinnen Katharina Straßer und Katharina Hohenberger haben nun einen Hugo-Wiener-Abend mit alten und neuen Liedern gestaltet und Falter-Autorin Stefanie Panzenböck alles über Komödie, Kinder und Käsefüße erzählt. An Thomas Bernhard, der heuer 90. Geburtstag hätte, erinnern das Burg- wie das Volkstheater mit neuen Inszenierungen; Martin Pesl hat sich beide angesehen. Kunstkritikerin Nicole Scheyerer hat diese Woche das Atelier von Nana Mandl besucht, einer Globetrotterin, die aus unterschiedlichsten Stoffen und Garnen fantastische Wandobjekte und Bilder schafft. Und der Leuchtkasten zeigt Aufnahmen der Otto-Wagner-Kirche und des Jugendstil- Theaters am Steinhof, fotografiert von Christian Wind. Stoff zum Schauen und Schmökern.
Einen kleinen persönlichen Erfolg habe ich zu vermelden. Ich habe einen fast zwei Jahre währenden Prozess gegen Michael Jeannée gewonnen. Der Krone-Kolumnist hat mich grob beleidigt, der Krone-Chef wollte sich dafür nicht entschuldigen. Also habe ich geklagt. Das Erstgericht ließ mich zuerst abblitzen, dann sprach es mir eine für die Reichweite der Krone vergleichsweise lächerliche Entschädigung von 6000 Euro zu. Nun hat das Oberlandesgericht Wien nach einer Berufung meiner Anwälte Alfred Noll und Klaus Keider sogar die ständige Judikatur geändert und festgehalten, dass auch "Public Figures" ein Recht auf angemessene Entschädigung haben, wenn ihnen die Ehre abgeschnitten wird. Die Krone muss nun 16.000 Euro bezahlen. Das Geld geht 1:1 an das Kinderhospiz Momo. Danke, Michael Jeannée und Christoph Dichand. Der Rechtsfrieden ist wiederhergestellt.
Am 2. Juni kommt der Filmpodcast "Otto & Sabrina haben einen Gast und reden über Filme" ins Stadtkino! Regisseurin Mirjam Unger und Otto Römisch sprechen eine Stunde lang über Kathryn Bigelow: Regisseurin von u.a. „The Hurt Locker“ und die erste Frau, die einen Oscar für die beste Regie gewann. Im Anschluss zeigen wir Bigelows Vampir-Thriller NEAR DARK. Nicht verpassen! Tickets gibt's hier.