Die Jugend ist dran – bis zum Herbst

Anna Goldenberg
Versendet am 18.06.2021

"Jetzt seid ihr dran", sagte Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein am Donnerstag in Richtung junge Menschen. Die Regierung verkündete, dass ab 1. Juli bis auf die 3G-Regeln fast alle Beschränkungen fallen, vor allem für die Nachtgastronomie und Veranstaltungen. Die Jugend darf jetzt also aufholen, zumindest Sozialleben, zumindest über den Sommer.

Denn weiter will ohnehin gerade niemand denken. Die rasche Öffnung und die wenigen Regeln haben etwa Stefan Stürzer, den Betreiber des Nachtclubs "Das Werk", überrascht. Man rechne schließlich mit einem "kleinen Peak" im Herbst, zudem haben gerade einmal 13 Prozent der unter 25-Jährigen mindestens eine Impfung bekommen.

Auch an der Universität Wien sorgt der Gedanke an den Herbst für Unruhe, aber aus einem anderen Grund. Von der Universitätenkonferenz wurde das kommende Wintersemester als "Übergangssemester" deklariert, gestern beschloss der Nationalrat die Verlängerung des 2. COVID-19-Hochschulgesetzes, das den Hochschulen erlaubt, für die Teilnahme am Lehr- und Prüfungsbetrieb 3G-Nachweise zu verlangen. Das Rektorat der Universität Wien will weiterhin auf "hybride Lehre" setzen, also eine Mischung aus digitaler Lehre und Unterricht vor Ort. Der Betriebsrat für das wissenschaftliche Universitätspersonal machte in seiner heutigen Aussendung, die dem Falter vorliegt, seinem Unmut darüber Luft. Zwischen den Zeilen liest man die Angst, dass die Hybridlehre langfristig zum Normalfall werden wird.

"Eine uneingeschränkte Präsenzlehre wird wohl auch im Wintersemester nicht stattfinden können, da eine Vollauslastung der Hörsäle infolge staatlicher Vorgaben weiterhin nicht möglich sein wird", befürchtet der Betriebsrat. Es gibt also zu wenig Platz. Doch der Dienstgeber täte nichts, um die Räume anzupassen, etwa durch die Adaptierung der Belüftungssysteme. Zudem besteht die Sorge, dass die Einhaltung der 3G-Regeln von den Lehrenden selbst überprüft werden muss.

Im aktuellen Planungsszenario sei davon auszugehen, dass es weiter Einschränkungen in der Präsenzlehre geben könnte, reagiert die Pressestelle der Universität Wien. "Ziel ist es, so viel Interaktion vor Ort stattfinden zu lassen wie möglich, insbesondere für die Studienbeginner*innen."

Dass mehr und mehr Lehrveranstaltungen ins Digitale abzuwandern drohen, darunter leiden nicht nur die Lehrenden, deren Mehraufwand – schließlich ist gute digitale Lehre mehr als nur eine abgefilmte Vorlesung – nicht abgegolten wird, sondern auch die Studierenden. Drei Semester, ein halbes Bachelor-Studium, dauert die Pandemie schon an. So lange sind die Universitäten schon keine sozialen Orte mehr.

Aber jetzt sind erst einmal Sommerferien, jetzt kann "alles, was Spaß macht" stattfinden, wie Bundeskanzler Sebastian Kurz es gestern formulierte. Jetzt sind die jungen Menschen dran. Bis zum Herbst.

Genießen Sie das Wochenende!

Ihre Anna Goldenberg


Aus Dem Falter

Alles, was Spaß macht, dazu gehört natürlich auch Fußball und die EM. In der aktuellen Ausgabe hat unser Falter-Fußballwart Lukas Matzinger die ersten Matches kommentiert, wir liefern mit den Rasen-Hasen eine Portion Sportsexismus und die FALTER-Wuchtelwette sollten Sie sich natürlich auch nicht entgehen lassen.


Buchtipp

Das politische Buch der Woche beschäftigt sich mit Antisemitismus als Teil des deutschen "Wir-Gefühls". Der Holocaust-Experte Peter Longerich geht in seinem Werk "Antisemitismus. Eine deutsche Geschichte. Von der Aufklärung bis heute" gründlich auf die Wurzeln des Antisemitismus ein. Christina Zeiner hat das Buch hier rezensiert.


Eine Frage

Was ist dran an der Behauptung, dass ein leichterer Zugang zur Staatsbürgerschaft die politischen Mehrheitsverhältnisse ändert? Dieser Frage ist Soraya Pechtl heute im FALTER.morgen nachgegangen. Die Antwort lesen Sie hier, den Morgen-Newsletter können Sie hier kostenlos abonnieren.


Aus Dem Verlag

Sie haben es vielleicht schon bemerkt: Es ist recht heiß und das wird auch noch eine Weile so bleiben. Dieses Buch schafft Abhilfe: Marion und Nathalie Großschädl haben die schönsten Wildbadeplätze in Wien, Niederösterreich, dem Burgenland und der Steiermark zusammengetragen. Vor Kurzem haben die beiden das Buch und ihre persönlichen Highlights daraus vorgestellt. Hier können Sie die Buchpräsentation nachsehen.


Das FALTER-Abo bekommen Sie hier am schnellsten: falter.at/abo
Wenn Ihnen dieser Newsletter weitergeleitet wurde und er Ihnen gefällt, können Sie ihn hier abonnieren.
Weitere Ausgaben:
Alle FALTER.maily-Ausgaben finden Sie in der Übersicht.

"FALTER Arena - Journalismus live" - Baumann/Klenk/Niggemeier/Thür - 1. Oktober, Stadtsaal
Diskussion zum Thema "Lügenpresse? Die Vertrauenskrise des Journalismus"