Es gibt schon wieder eine Kurz-Doku - FALTER.maily #1197
Hierzulande liegen Satire und Realität eng beieinander. Die Kurz-Film-Posse ist so ein Beispiel. Nachdem die Produktionsfirma eines PR-Films ...
die Welt ist wieder ein Stück freundlicher und weniger rassistisch geworden. Wie die FAZ dieser Tage berichtete, wurden in der deutschen Taschenbuch-Ausgabe der Duck-Comics von Carl Barks einige Passagen der legendären Übersetzung von Erika Fuchs verändert. Unter anderem wurde das I-Wort getilgt: Es spricht jetzt nicht mehr der "Häuptling der Zwergindianer" zu Dagobert Duck, und er adressiert diesen auch nicht mehr als "Bleichgesicht", sondern der "Häuptling des Stammes" wendet sich an "den anderen Anführer". Auch im Kampf gegen Bodyshaming konnte ein wichtiger Erfolg erzielt werden: Fridolin Freudenfett heißt jetzt Fridolin Freundlich. "Nicht alle älteren Comics sind heute uneingeschränkt zum Nachdruck geeignet. Inhalte können in einem modernen Kontext als veraltet und manchmal sogar unangemessen empfunden werden", wird der Publishing Director des Egmont Verlages zitiert.
Das ist eine bemerkenswerte Aussage. Wenn die Empfindung, etwas sei in unseren modernen Zeiten "veraltet", schon ausreicht, um historische Textbestände "zeitgemäß" zu überarbeiten, dann tut sich hier in der Tat ein weites Feld auf: Verlagshäuser, Filmverleihe, Rechteinhaber werden nicht nur neue Stellen, sondern ganze Abteilungen schaffen müssen, um ihre Bestände und Backlisten eine zeitgemäße und empfindungsangemessene Überarbeitung angedeihen zu lassen. Allein die Neuedition der Werke von Karl May dürfte ein Projekt sein, das eine erhebliche Anzahl von Jobs für die Reservearmee des akademischen Prolepräkariats kreieren könnte.
Anfang des 19. Jahrhunderts gab der englische Arzt Thomas Bowdler eine "familienfreundliche" Shakespeare-Ausgabe heraus. Diese Praxis der "Bereinigung" wurde mit dem keineswegs neutral oder gar nett gemeinten Begriff "Bowdlerization" bezeichnet. Sie scheint heute wieder in Mode zu kommen. Zum Glück regt sich aber auch Kritik. Angesichts der Eingriffe in der Donald Duck-Ausgabe hat Elfriede Jelinek angemerkt, dass es "eine heilige Pflicht" sei, gegen "die Schändung der göttlichen Erika Fuchs" zu protestieren.
Selbst wenn man den Respekt vor einer herausragenden kreativen, sprachschöpferischen Leistung, der hier eingeklagt wird, nicht aufbringen mag, geht es nicht an, Fuchs’ Übersetzung eigenmächtig zu "korrigieren". Der Eingriff ist nicht nur dreist und im vorliegenden Falle auch lachhaft – "Fridolin Freundlich", my ass! –, sondern von antiquierter Arroganz. Die Überzeugung, dass die Geschichte der Menschheit stets einem Fortschritt zustrebt, von dessen jeweils jüngst erklommener Stufe herab sich die Ignoranz der Vergangenheit (Stichwort: "finsteres Mittelalter") enthüllte, hat gründlich abgewirtschaftet. Und die Überheblichkeit, mit der die Nachgeborenen und Nutznießer von Liberalisierungsgewinnen, für deren Erkämpfung sie selbst keinen Finger krumm machen mussten, auf die ach so unaufgeklärten und reaktionären Generationen vor ihnen zurück- und herabblicken, kann einem ohnedies den Atem verschlagen. Darüber hinaus aber tilgt der Furor, mit der man nun die vermeintlichen Irrtümer und Verfehlungen der Vergangenheit zu bereinigen meint, die Spuren der Geschichte und damit genau jene Differenz, die man ja durchaus auch als "Fortschritt" auffassen und bezeichnen kann.
Man muss sich der Geschichte stellen und sich mit ihr auseinandersetzen, man kann sie aber nicht wokewaschen. Zu glauben, dass sich vergangenes Unrecht durch Sprachreglungen wiedergutmachen ließe, ist schlechterdings eine Form von Magischem Denken. Dasselbe gilt für die Grauslichkeiten der Gegenwart: Auch diese werden durch "Schön-Sprechen!"-Imperative nicht aus der Welt geschafft, sondern allenfalls behübscht, verleugnet und verdrängt. Und zu guter Letzt ist es einfach bevormundend, den Menschen nur noch die Newspeak-Variante Wovon-auch-immer zumuten zu wollen. Man wird es Donald-Duck-Leser:innen wohl zutrauen dürfen, dass sie ihr Bild von den Native Americans nicht restlos aus dem Carl-Barks-Comic "Land of the Pygmy Indians" von 1957 beziehen.
Bleiben Sie wach,
Ihr Klaus Nüchtern
Er las Karl May im Mostkeller und hasste es, wenn er "wieder ins Staubige, Heiße hinaus" musste. Der Kabarettist Josef Hader, aufgewachsen im niederösterreichischen Nöchling, hat nach 17 Jahren wieder ein Solo-Programm auf die Beine gestellt. Mit Stefanie Panzenböck spricht Hader über seine Kindheit, Karl May und den Katholizismus, Martin Pesls Kritik von "Hader On Ice" finden Sie hier.
Wokeness und Witz, das kann auch zusammengehen, wie die deutsche Autorin, Journalistin und Kulturwissenschaftlerin Mithu Sanyal mit ihrem ebenso klugen wie komischen Roman "Identitti" beweist. Die auf einem realen Fall beruhende Geschichte um die Post Colonial Studies-Diva Saraswati, deren Identität als Person of Color (PoC) sich als Mythos entpuppt und einen Shitstorm entfesselt, jongliert mit den heißen Eisen der Identitätspolitik als hätte die Autorin so viele Arme wie die indische Göttin Kali, die in dem Roman eine bedeutende Rolle spielt. Eine hymnische Rezension Sigrid Löfflers finden Sie hier.
Darf man denn den Taxifahrer oder die Friseuse überhaupt noch fragen, woher Sie kommen? "Schweigen ist schlimmer!" sagt Saraswati in "Identitti". Und die Autorin selbst, Mithu Sanyal, meinte im Gespräch mit Clarissa Stadler: "Es ist ja nicht so, dass dann die Polizei vorbeikommt und einen mitnimmt, sondern es kann sein, das Leute vielleicht ein bisschen schnippisch reagieren." Es tut gut, wenn Menschen, die mit allen Wassern der Postcolonial, der Gender und Queer Studies gewaschen sind, die anderen nicht belehren, sondern ins Boot holen wollen und auch etwas Druck aus der überhitzten Debatte nehmen. Wenn Sie schnell sind, können Sie das Gespräch mit Sanyal im Kulturmontag noch hier nachschauen.
#gemeinsamdurchstarten - RAIL me up to....BERLIN
So schön wie heuer war Reisen noch nie. Denn man weiß die Dinge erst dann so richtig zu schätzen, wenn sie einem fehlen. Zum Beispiel mit ÖBB Rail Tours mit dem Nightjet in die angesagtesten Städte Europas zu reisen. Vielleicht nach Berlin? Übrigens: maximale Privatsphäre kann man im eigenen Abteil genießen.