Andreas Babler, SPÖ-Chef - FALTER.maily #1105
Na, das eskalierte schnell, wie man bei uns auf Twitter zu sagen pflegt. Da sieht man einmal, wie ernsthaft man mit falschen Prämissen ...
Manche Rituale werden nie verschwinden. Zum Beispiel das Ritual des Wartenlassens vor dem Wiener Straflandesgericht, im Volksmund sympathisch "Graues Haus" genannt.
Vor dem Wiener Landesgericht für Strafsachen also hatte sich heute wieder eine lange Menschenschlange gebildet. Die Leute standen dicht beisammen, Angeklagte, Zeugen, Kiebitze, aber auch viele Journalistinnen und Journalisten, die Pandemie ist hier scheinbar schon vorbei.
Die Justizverwaltung war offenbar überrascht davon, dass so viele MedienvertreterInnen zum Bestechungsprozess gegen den ehemaligen Vizekanzler Heinz Christian Strache kommen könnten. Einen Taschenscanner wie am Flughafen gibt es daher nur im Justizpalast und am Handelsgericht, nicht hier im Grauen Haus, da wird noch jedes Handtasch'l händisch gefilzt und die Akten mit dem Wagerl herumgefahren. RichterInnen, StaatsanwältInnen und AnwältInnen dürfen ohne Kontrolle durch.
Der ehemalige FPÖ-Chef wurde aber zum Glück auf Waffen kontrolliert (zu Hause hat er Langwaffen und eine "Baby-Glock", wie seinen Chats zu entnehmen ist) und er konnte rechtzeitig und unbewaffnet auf der Anklagebank im Schwurgerichtssaal Platz nehmen. Neben ihm saß Walter Grubmüller, Ex-Glückspielunternehmer ("Admiral Sportwetten"), ehemaliger Speedwayfahrer und heute der Eigentümer der Privatklinik Währung. Die beiden sind befreundet und urlauben manchmal samt "Gattinnen", wie sie sagen, auf Korfu.
Strache ist heute erstaunlich still. Keine Attacken gegen das Gericht oder die WKStA, keine Polemiken, keine Interviews. Anders als Bundeskanzler Sebastian Kurz oder Karl-Heinz Grasser verkneifen sich er und sein Verteidiger Johann Pauer aggressive Litigation-PR. Wozu auch, die Ausgangslage ist für Strache heute gar nicht schlecht, seine Chancen freigesprochen zu werden, intakt.
Die WKStA wollte diese vergleichsweise kleine Causa dennoch nicht einfach einstellen, sie will sie öffentlich geklärt wissen, von einem unabhängigen Gericht – und die Oberstaatsanwaltschaft Wien und der Weisenrat im Justizministerium ist ihr in diesem Vorhaben gefolgt.
Worum geht es also? Strache soll, so die WKStA-Staatsanwältin in ihrem Anklagevortrag, von Grubmüller bestochen worden sein. Eine Parteispende in der Höhe von 10.000 Euro und ein privater Urlaub, der "mehr als 3000 Euro" gekostet habe, seien für ein Gesetz geflossen, das Grubmüllers Klinik in den erlauchten Kreis jener Krankenhäuser aufnimmt, die dem Privaten Krankenanstaltenfonds (Prikraf) unterliegen und daher direkt mit den Sozialversicherungsträgern verrechnen können.
Strache setzte sich für das Anliegen ein, er fragte Grubmüller sogar, welches Gesetz denn für ihn "wichtig wäre" "damit die Schönheitsklinik endlich fair behandelt wird".
Floss die Spende also für das Gesetz? Die Sache ist kompliziert. Denn die Spende wurde offen deklariert und beide bestreiten, dass sie als Gegenleistung für das Gesetz gedacht war. Der Urlaub sei rein privat gewesen. Und auch andere Privatkrankenhausträger hätten an Parteien gespendet, etwa die PremiQuaMed an die ÖVP (50.000 Euro). Strache betonte außerdem, dass er es immer schon unfair fand, dass Grubmüllers Spital benachteiligt sei. Und dann verwies Straches Anwalt auch noch auf Chats, wo Strache dezidiert Geschenke von Grubmüller ablehnte ("Strenge Rechnung, strenge Freundschaft").
Cash for Law? Oder doch nur eine Parteispende für die FPÖ, die eben die gleichen politischen Ziele verfolgt wie der Spender? Das Gericht wird den Graubereich sorgfältig durchleuchten müssen, so wie die Taschlkontrollore die Rucksäcke am Eingang des Grauen Hauses. Bis Freitag wird verhandelt, im Zweifel ist Strache freizusprechen.
Ihr Florian Klenk
Das Titelblatt des Falter zeigt diese Woche die Gedenkstelle für die kleine Leonie W., die im Alter von 13 Jahren ermordet wurde. Vier Afghanen, drei davon mehrfach vorbestraft, haben das Mädchen vermutlich unter Drogen gesetzt, missbraucht und zum Sterben auf die Straße gelegt. Eva Konzett, Lukas Matzinger, Soraya Pechtl, Martin Staudinger und ich haben die Spuren in diesem Fall rekonstruiert. Eine verstörende Reportage über die afghanische Parallelgesellschaft und die Machtlosigkeit der Fremdenbehörden.
Ebenfalls im Politikressort haben wir uns diese Woche angesehen, warum der Bundeskanzler den U-Ausschuss sabotiert – und wie seine Vertrauten die WKStA an der Arbeit hindern. Barbara Tóth wiederum hat mit dem ÖVP-Medien-Anwalt Werner Suppan gesprochen und ihn gefragt, was er über Einschüchterungsklagen, Pressefreiheit und die Zukunft der Wiener Zeitung denkt.
Im Falter laufen die Ventilatoren auf Hochtouren, feuchte Handtücher im Nacken werden langsam, aber sicher zum inoffiziellen Dresscode. Es fühlt sich nicht nur so an: Die Hitzewellen werden immer härter. Benedikt Narodoslawsky hat sich vom Meteorologen Simon Tschannett erklären lassen, wie wir es schaffen können, uns an den Klimawandel anzupassen. So viel sei verraten: Die Siesta könnte in Zukunft auch bei uns eine größere Rolle spielen.
Die Wienerinnen und Wiener haben sich fast schon an den elenden Kreislauf gewöhnt: Fahrrad ausgesucht – Fahrrad gekauft – Fahrrad geklaut. Die Polizei kümmert sich kaum um Fahrraddiebstähle, die Gemeinde stellt zu wenige Fahrradbügel auf. Florian Holzer geht in der aktuellen Ausgabe einem alten Stadtdrama auf den Grund.
Schreibt ein Kabarettist seinen ersten Roman, kommt naturgemäß kein "Wunschloses Unglück" dabei heraus. Wobei: Peter Handke tritt in Klaus Eckels "AllerDings" durchaus nicht unprominent auf. Warum er zwar ein "Gegenstandsversteher" ist, Laubbläser und Laubsauger aber hasst, erklärt der Humorkünstler Stefanie Panzenböck in der Titelgeschichte unserer Kultur- und Programmbeilage. Für "Bad Luck Banging or Loony Porn" erhielt Radu Jude den Goldenen Bären bei der diesjährigen Berlinale. Zum Kinostart des Films hat Julia Pühringer den rumänische Regisseur dazu befragt. Unsere wöchentliche Fotostrecke "Leuchtkasten" zeigt diesmal Arbeiten des berühmten US-Fotojournalisten Steve McCurry. Dazu finden Sie in der FALTER:WOCHE wie immer unzählige Tipps und Kritiken zu Theater, Literatur, Musik, Kino und Kunst.
Bei der Hitze hilft eigentlich nur noch schwimmen gehen. Mit dem Badeführer "Wildbadeplätze" aus dem Falter Verlag finden Sie auch noch in der Megahitze wenig frequentierte und richtig erfrischende Badeplätze.