It's the bribery, stupid! - FALTER.maily #1055
Ich würde meinen, wir müssen die Geschichte über Sebastian Kurz fabelhaften Aufstieg zum ÖVP-Chef und Kanzler grundsätzlich ...
Eigentlich sollten Sie heute ein paar Zeilen von meinem Kollegen Lukas Matzinger lesen. Matzinger war jedoch mit Aufräumarbeiten in seinem Heimatbezirk beschäftigt (Zeltfest, nicht Unwetter). Also hat er mich gebeten. Und ich hatte gerade nichts zu tun. Eigentlich hatte ich genau das vor: Nichts zu tun. Das Wochenende eh verregnet, keine Verwandtenbesuche in Sicht, keine Reparaturarbeiten zuhause nötig (naja, fast keine). Ich habe mich auf das Nichtstun gefreut. Aber es ist dann anders gekommen. Nicht, weil ich diese Kolumne schreiben muss. Sondern, weil mir das Nichtstun keine Freude mehr bereitet. Das war früher anders. Ich konnte stundenlang in die Luft schauen und meinen Gedanken nachhängen, vielleicht ein paar Seiten in einem Buch lesen oder eben auch nicht. Seit einiger Zeit gelingt mir das nicht mehr so recht. Vielleicht haben mir die Lockdowns des letzten Jahres, also die erzwungene Untätigkeit, den Müßiggang verleidet.
Vielleicht liegt es daran, dass Nichtstun nur in einer ungestörten Umgebung funktioniert. Ich meine damit nicht meine unmittelbare Umgebung. Aber immer ist etwas auf dieser Welt: Entweder stehen große Teile davon unter Wasser oder in Flammen, irgendwo rafft die nächste Variante der Pandemie wieder hunderte Menschen dahin. Irgendein Alarm schlägt immer an, auf meinem Smartphone oder in meinem Unterbewusstsein.
Vor zehn, 15 Jahren war das noch anders. Damals ist der Begriff des Prokrastinierens Mainstream geworden. Und hat eine Bedeutungsveränderung erfahren. Eigentlich ist Prokrastination die Bezeichnung für pathologisches Aufschiebeverhalten, also eine Arbeitsstörung. Daraus wurde dann ein fancy Lifestylelabel für chillen mit einem leichten Anflug von schlechtem Gewissen. Offenbar hatte damals das Nichtstun einen anderen Stellenwert im Leben.
Wenn ich die Menschen in meiner Umgebung beobachte, habe ich den Eindruck, dass niemand mehr nichts tut. Und wenn jemand nichts tut, dann nicht freiwillig.
Ich persönlich hoffe, dass sich meine Fähigkeit, das Nichtstun zu genießen, irgendwann wieder regeneriert.
Bis dahin versuche ich, das Ganze positiv zu sehen: Morgen ist endlich wieder Montag!
Ihr Josef Redl
In dieser Episode des FALTER-Buchpodcasts empfiehlt unsere Sachbuch-Expertin Kirstin Breitenfellner das Buch "Die Kunst des Ausruhens". Außerdem ist die Autorin Judith Hermann mit ihrem neuen Roman "Daheim" bei Petra Hartlieb zu Gast. Also insgesamt eine sehr hörenswerte Sache.
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