Nie mehr Schule - FALTER.maily #1103
Ich schreibe Ihnen diese Zeilen aus meinem Kärntner Jugendzimmer. Beim Blick aus dem Fenster sehe ich heute wie damals nichts als Wälder ...
Manchmal muss man den längeren Weg gehen, um recht zu bekommen. Vor allem wenn man sich wie der Falter immer wieder kritisch mit den Praktiken der Türkisen auseinandersetzt.
Sie erinnern sich vielleicht: Wenige Wochen vor der Nationalratswahl 2019 bekam der Falter Teile der internen Buchhaltung der ÖVP Bundespartei zugespielt. Wir wälzten die Tabellen, Dokumente und Tafeln, wir arbeiteten uns durch Korrespondenzen und coverten mit einer Geschichte, in der wir beschrieben, wie die ÖVP auch in diesem Wahljahr die Wahlkampfkostenobergrenze überziehen wollte. So wie schon 2017 und 2013. Wie dokumentierten außerdem, dass die Partei die Öffentlichkeit darüber bewusst täuschte.
Das waren harte Vorwürfe. Was macht die ÖVP? Sie behauptete zuerst, die Unterlagen, die dem Falter vorlagen, seien wohl manipuliert oder gefälscht. Dann klagte sie uns, um uns einzuschüchtern. Seit Montag ist es nun rechtskräftig: Wir hatten recht. Die ÖVP hat in ihren Wahlkämpfe bewusst mehr Geld hineingebuttert als gesetzlich erlaubt. Sie hat ihre Wahlsiege damit zu einem beträchtlichen Teil auch erkauft. Und sie hat diese unfaire Strategie gegenüber der Öffentlichkeit versucht zu verschleiern.
Nur in einem Punkt gab das Oberlandesgericht Wien der ÖVP recht: Sie hat zwar die Öffentlichkeit, nicht aber, wie wir argumentiert haben, auch den Rechnungshof getäuscht.
Sie sehen, kritischer Journalismus lohnt sich. Darauf stoße ich heute Abend mit Ihnen in Gedanken an.
Cin cin!
Ihre Barbara Tóth
Hier können Sie das Urteil des Oberlandesgerichts im Volltext nachlesen. Hier haben wir die Chronologie der Causa ÖVP-Files aufgeschrieben. Hier können Sie selbst einen Blick auf jene Dokumente werfen, welche die Überschreitung der gesetzlichen Begrenzung der Wahlkampfkosten belegen, hier die Einordnung der Vorgehensweise der Volkspartei von Armin Thurnher lesen.
Einschüchterungsprozesse wie jener, den die ÖVP gegen uns anstrengte, kosten viel Zeit und noch mehr Ressourcen, die wir lieber darauf verwenden würden, spannende Geschichten für Sie zu recherchieren. Wenn Ihnen daran liegt, dass den Mächtigen auf die Finger geschaut wird, unterstützen Sie uns mit einem Abo, das hilft uns sehr. Danke!
Wir wechseln das Thema, bleiben aber bei der ÖVP, denn diese träumt weiterhin den Traum von Abschiebistan und möchte Afghanen außer Landes bringen. Plan hat sie dafür allerdings keinen, wie Nina Brnada aufgeschrieben hat. Paul Sonnberger hat mit Mitgliedern der afghanischen Community in Österreich gesprochen, wie sie mit dem Krieg in ihrer Heimat leben.
Weitermachen oder nichts wie raus aus der Koalition? Der grüne Juniorpartner kommt in der Afghanistanfrage wieder einmal unter die Räder der türkisen Populismusmaschine. Wie viel bleibt nach anderthalb Jahren Regierungsbeteiligung noch vom Wertekorsett der Grünen und ist es das wirklich Wert? Hier diskutieren meine KollegInnen Benedikt Narodoslawsky und Nina Brnada, ob die Grünen weitermachen sollen. "Ja", meint er. "Nein", sagt sie. Ihre Argumente können Sie jetzt im Falter nachlesen, in diesem Video tragen die beiden ihre Standpunkte persönlich vor.
Sogenannte "Momfluencer" (Mom + Influencer) und Beauty-Instagrammerinnen inszenieren sich online dem Frauenbild der 1950er und 60er-Jahre entsprechend. Droht der emanzipatorische Backlash über die digitale Hintertür? Simone Brunner hat für diese Reportage mit Influencerinnen und Forscherinnen gesprochen. Welchen Einfluss der neue City-Ikea auf die Stadt haben wird, hat Birgit Wittstock recherchiert. Der weltweit erste autofreie City-Ikea wird diese Woche neben dem Wiener Westbahnhof eröffnet. Ein nachhaltiger Einkaufstempel mitten in der Stadt, so das Versprechen. Aber was taugt das Konzept?
Die neue Theatersaison beginnt: Wiens Bühnen sperren wieder auf, und schon ist es beinahe wieder so wie zu vorpandemischen Zeiten. Sara Schausberger und Miriam Damev haben die Spielpläne durchforstet und bringen eine Vorschau auf die ersten Premieren der Herbstsaison: vom Theater in der Josefstadt bis zum Brut nordwest. Das Wiener Popduo Leyya spielt diese Woche seine zwei letzten Konzerte; warum Sängerin Sophie Lindinger einmal "raus aus dem Hamsterrad" muss und sich mehr auf die Studioarbeit konzentrieren will, hat sie Sebastian Fasthuber erzählt. Und im Leuchtkasten bringt die Wiener Fotografin Regina Anzenberger die "Gstettn" zum Erblühen. Tipps, Termine und Kurzkritiken zu Filmen, Ausstellungen, Konzerten usw. finden Sie wie immer im umfassenden Programmteil der Falter:Woche.
Was macht uns Angst? Was ist für uns riskant? Wer oder was beschützt uns? Die Antworten auf diese Fragen haben sich im Laufe der Zeit verändert. Mittlerweile scheint die größte Bedrohung für den Menschen der Mensch selbst zu sein, und das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung sinkt stetig. Das Buch "Auf eigene Gefahr" aus dem Falter Verlag nähert sich unerschrocken dem Thema Risiko.