Gute Nachrichten für Nimbys - FALTER.maily #613

Josef Redl
Versendet am 08.09.2021

wissen Sie, was ein Nimby ist? Vielleicht sind Sie, ohne es zu ahnen, sogar selbst einer. Die Abkürzung Nimby steht für Not In My Backyard, frei übersetzt also für: Könnt ihr schon machen, aber sicher nicht bei mir in der Gasse. Windräder sind zwar eine tolle Sache zur Energiegewinnung, aber eben nur, solange sie mir nicht die Aussicht verstellen. Die Suchthilfe ist eine ehrenwerte Einrichtung, aber in meiner Nachbarschaft will ich nicht jeden Tag Drogensüchtigen begegnen. Hier wohnen ja schließlich auch Kinder!

Es gibt natürlich diese Ultra-Nimbys. Querulanten, die wegen jedem morschen Zaunbrett vor Gericht ziehen oder Bürgerlisten gründen. Aber es gibt genauso auch ganz nachvollziehbare Bedenken. Niemand will, dass im Nebenhaus ein Stahlwerk errichtet wird oder am Nachbargrund eine Sondermülldeponie entsteht.

Schwer zu sagen, was für ein Typ Mensch jener Bewohner der Josefstadt war, der kürzlich für eine Mietreduktion bis vor den Obersten Gerichtshof gezogen ist. (Ich persönlich hege völlig grundlose Vorbehalte gegen Bewohner der Josefstadt und habe daher eine Vermutung.) In Häusern, die vor 1945 errichtet wurden, gilt in Wien der Richtwertmietzins, also eine gesetzlich festgelegte Höchstgrenze für die Miete. Je nach Lage der Wohnung kann der Vermieter allerdings einen Lagezuschlag aufschlagen. Und genau diesen hat der Mieter aus der Josefstadt bekämpft, wie Die Presse kürzlich berichtet hat. Zwar liegt sein Wohnhaus in einem Grätzel mit allen möglichen Annehmlichkeiten - vom U-Bahnanschluss bis zum Supermarkt - er fand den Aufschlag von 3,50 Euro pro Quadratmeter trotzdem ungerechtfertigt. Seine Wohnung geht zu einer stark befahrenen Straße hin, ist also einer hohen Lärmbelästigung ausgesetzt.

Außerdem beklagte der Mieter die Drogenszene rund um die U-Bahn-Station Josefstädter Straße und die deshalb häufigen Polizeieinsätze. Vor dem Obersten Gerichtshof hat der Mann nun recht bekommen. Er muss fortan um 250 Euro weniger Miete zahlen. Die OGH-Entscheidung zeigt: Nicht jede Wohnung innerhalb eines guten Grätzels verdient automatisch einen Lagezuschlag. Die Konsequenzen werde ich jedenfalls mit Interesse verfolgen. Ich gehe zwar davon aus, dass in Zukunft nur bei sehr objektivierbaren Sachverhalten wie etwa besonders großer Lärmbelastung der Lagezuschlag wegfallen wird. Ich bin mir aber sicher, dass auch einige Nimbys abseits der Hauptverkehrsrouten gerade ihre Anwälte beauftragen.

Ihr Josef Redl


Falter Morgen

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