Mir niederösterreicht’s! - FALTER.maily #1044
Gräben zuschütten. Welch ein frivoles Wort, wenn wir uns vor Augen halten, welche Gräben da angesprochen werden. Nämlich jene ...
wenige EU-Länder sind derart rigoros gegen eine Aufnahme von Flüchtlingen aus Afghanistan wie Österreich.
Es gibt aber eine merkwürdige Gleichzeitigkeit, eine erstaunliche Ambiguität. In einem bestimmten Bereich in Sachen Afghanistan zeigt sich die österreichische Bundesregierung sehr wohl großzügig – und das völlig unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit.
Es geht nicht um die Evakuierung derjenigen aus Afghanistan, die keine österreichischen Staatsbürger sind (denn diese genießen ohnehin konsularischen Schutz), – sondern jener Afghanen, die lediglich über einen österreichischen Aufenthaltstitel verfügen und seit dem unerwarteten Triumph der Taliban nach Familienbesuchen oder Hochzeiten in Afghanistan festsitzen. Wie viele es genau sind, will das Außenministerium nicht verraten.
Diese Gruppe hat eigentlich keinen Rechtsanspruch auf Evakuierung oder sonstige Hilfeleistungen von Österreich. Dennoch hat sie das ÖVP-geführte Außenministerium in seine Evakuierungsbemühungen von Anfang an ganz selbstverständlich eingeschlossen. Außenminister Alexander Schallenberg machte hier keinerlei Unterschiede zwischen Staatsbürgern und Aufenthaltsberechtigten. (Wenn auch nicht alle die Hilfe annehmen, siehe aktueller Artikel über einen jungen Wiener Afghanen, der alle Unterstützung des Ministeriums bekommt, aber zögert, nach Österreich zurückzukehren).
So wie in dieser Sache könnte die ÖVP auch in einem anderen Bereich Großmut zeigen, ohne dass es sie viel kosten würde: Sie könnte sich auch dafür einsetzen, den rund 500 Familien, die derzeit auf die Erlaubnis der österreichischen Behörden warten, wieder zusammensein zu können, schneller zu ihrem Recht zu verhelfen. Deren Verfahren laufen ja ohnehin, diese Menschen werden sowieso nach Österreich kommen – die Frage in diesen Fällen ist also nicht ob, sondern wann.
Anstatt sie mit Bürokratie unnötig zu quälen, wäre es angesichts des historischen Ausnahmezustandes in Afghanistan geboten, die Abläufe zumindest bei der Familienzusammenführung zu vereinfachen. Der Einsatz dafür würde Österreichs Kanzlerpartei nicht viel kosten und den zumeist Frauen und Kindern in Afghanistan, die darauf warten, mit ihren Ehemännern und Vätern in Österreich zusammengebracht zu werden, wäre existenziell geholfen.
Die ÖVP hätte damit der Humanität zumindest ein stückweit Genüge getan, ohne von ihrer Politik abzuweichen. Das wär doch was, oder?
Ich wünsche Ihnen eine schönen Abend!
Ihre Nina Brnada
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