Was ist fair?

Stefanie Panzenböck
Versendet am 29.09.2021

"Sie wissen ja, in Österreich lieben wir die Kunst, aber die Künstler sind uns wurscht", formuliert es Walter Pöltner, Sektionschef des Sozialministeriums, 2014 in einem Ö1-Beitrag. Er setzte sich viele Jahre für die Verbesserung der sozialrechtlichen Arbeitsbedingungen von Kunstschaffenden ein. Kulturpolitik ist das Bohren harter Bretter.

Hat sich seit damals viel verändert? Eine Studie aus dem Jahr 2018, vom Kulturministerium in Auftrag geben, zeigt, dass Künstlerinnen und Künstler nach wie vor prekär leben und arbeiten. Das besagten auch schon die Ergebnisse einer Studie zehn Jahre zuvor.

Mit der türkis-grünen Regierung schaffte es "Fair Pay", also die Forderung nach einer gerechten Bezahlung von Kunstschaffenden, erstmals in ein Regierungsprogramm. Vor einem Jahr startete das Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport (BMKÖS) den "Fairness-Prozess". Zehn Interessensgemeinschaften (IG), die Künstlerinnen, Künstler, Vereine und Kulturinitiativen der freien Szene vertreten, arbeiteten monatelang mit dem Ministerium zu unterschiedlichen Themen. Morgen soll das zugehörige Internationale Symposium stattfinden. Expertinnen und Experten aus vielen Ländern Europas referieren über ihre Erfahrungen mit Fairness im Kunst- und Kulturbetrieb, danach ist die "Österreichische Perspektive" dran.

Und hier beginnt der Konflikt. Unter dem Titel "Fair Pay, wo bist du geblieben?" schickten einige IGs heute, einen Tag vor dem Symposium, eine Presseaussendung an die Kulturredaktionen. Sie sind erbost, dass jenes Thema, das sie als zentral ansehen, im Österreich-Teil der Veranstaltung nicht vorkommt. "Statt 'Fair-Pay'-Strategien zu entwickeln und umzusetzen, wird durch ständige Themenerweiterung hartnäckig an einer Umerzählung gearbeitet", schreiben neben anderen Gabriele Gerbasits von der IG Kultur, Gerhard Ruiss von der IG Autorinnen und Autoren und Daniela Koweindl von der IG Bildende Kunst. Sie haben Sorge, dass innerhalb eines großen Fairness-Prozesses der Aspekt der gerechten Bezahlung an den Rand gedrängt wird. Vom Symposium hätten sie sich erwartet, dass die IGs ihre Zwischenergebnisse zum Thema der gerechten Bezahlung präsentieren können.

Etwa das Fairpay-Manifest, das die IG Kultur heute veröffentlichte, oder den Fairpay-Reader, den der Kulturrat vorlegte. Diverse IGs haben Kalkulationshilfen und unverbindliche Honorarempfehlungen zusammengestellt und um Praxis-Beispiele ergänzt. Nun befürchten sie eine Verwässerung des Prozesses, an dessen Ende wieder keine konkreten Lösungen stehen.

Die IGs ziehen an einem Strang, aber es gibt auch Differenzen. Die IG Freie Theaterarbeit, die ebenfalls in den Prozess eingebunden ist und am Fairpay-Reader mitgearbeitet hat, teilt die grundsätzliche Kritik am Symposium nicht. "Fairness im Kunst- und Kulturbereich bewirkt viel mehr als faire Bezahlung - diese ist ein Baustein", sagt Ulrike Kuner, Geschäftsführerin der IG Freie Theaterarbeit. Zuvor aber brauche es Strukturen, damit Fairpay nachhaltig umgesetzt werden kann.

Aus dem Ministerium, respektive dem zuständigen Staatssekretariat für Kunst und Kultur, wollte sich heute dazu niemand mehr äußern. Das Symposium wird morgen um 10:30 Uhr eröffnet.

Ihre Stefanie Panzenböck


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