Viennale '21: ein Fest der Filmemacherinnen

Michael Omasta
Versendet am 21.10.2021

Heute eröffnet die Viennale. Bis einschließlich 31. Oktober zeigt das Wiener Internationale Festival über 100 Spielfilme, dazu 42 kurze und mittellange Arbeiten, mehrere Personalen und historische Programme sowie eine umfangreiche Retrospektive.

Zum Erscheinungstermin dieses Mailys, um 19 Uhr, geht es auch im Gartenbau los, dem frisch renovierten Vorzeigekino der Stadt. "Das Ereignis" heißt der Eröffnungsfilm, er basiert auf dem gleichnamigen Bestseller von Annie Ernaux und wurde erst vor wenigen Wochen in Venedig mit einem Goldenen Löwen ausgezeichnet. Regisseurin und Hauptdarstellerin werden anwesend sein, den elftägigen Festivalreigen beginnen – mit viel Frauenleid und noch mehr Frauenpower.

Es ist die vierte Viennale unter der Leitung von Eva Sangiorgi. "Kuratieren nach Quote", bekannte sie 2018 in einem Gespräch mit dem FALTER, sei nichts für sie: "Wonach ich Ausschau halte, ist großes Kino.“ Heuer hat sie dieses vor allem bei Filmemacherinnen gefunden. Zumindest ist das mein Eindruck, denn die allermeisten Filme, die ich mir anschauen möchte, wurden von Frauen gemacht. Das gilt für "Herr Bachmann und seine Klasse" (Regie: Maria Speth), einen der Dokumentarfilme des Jahres, genauso wie für "Beatrix" (Regie: Milena Czernovsky, Lilith Kraxner), eine ganz kleine, sehr überraschende Produktion aus Österreich. Und selbst der alte Westernfan in mir braucht heuer nicht verschämt zu verzagen, denn keine Geringere als Jane Campion hat sich dieses Genres nun angenommen und mit "The Power of the Dog" ein Neo-Western-Kammerspiel gedreht.

Apropos österreichischer Film. Auch der ist bei der Viennale heuer wieder gut vertreten, mit sechs abendfüllenden und zehn kürzeren Arbeiten: darunter neue Werke von Peter Tscherkassky, Michaela Grill, Sebastian Meise, Jola Wieczorek, Aleksey Lapin, Wilbirg Brainin-Donnenberg. Also ich finde, das sind anderthalb gute Wochen fürs Kino. Streamen können Sie dann ab Allerheiligen ja wieder.

PS: Dass der Online-Vorverkauf holprig startet, hat bei der Viennale ja fast schon Tradition, woraufhin dem Netz gewohnheitsmäßig der Hals schwillt und sich Entrüstung breitmacht. So auch vergangenen Samstag. Eine liebe Bekannte von mir pflegt eine andere Tradition: Sie schaut am zweiten Tag ins Gartenbaukino, spricht eine der gleichermaßen freundlichen wie flotten Personen am Vorverkaufsschalter an und hat fünf Minuten später die 20 Karten in der Tasche, die sie wollte. Funktioniert natürlich nur, solange sich genügend Leute mit der IT herumärgern, statt ebenfalls zur Kasse zu gehen! Irgendwann – maybe next year, zur 60. Viennale? – sollte es auch mit dem Vorverkauf doch bitte einmal auf Anhieb klappen.

Ihr Michael Omasta


Aus Dem Falter

Unser aktuelles Gespräch mit Eva Sangiorgi über die Viennale, die Highlights des Programms sowie ein paar persönliche Filmempfehlungen der Festival-Direktorin exklusiv für den FALTER finden Sie hier. Einen Überblick über alle Filme, Termine und Kinos verschafft auch heuer wieder der FALTER Viennale-Planer.


Zum Lesen

Es gibt nicht viele Filmbücher mit einem Anhang von 897 Fußnoten, die ich hier empfehlen würde. Dieses schon, denn "Mit anderen Augen" von Heike Klapdor, im Sommer in der Münchner Edition Text+Kritik erschienen, ist nicht nur profund recherchiert, sondern auch glänzend geschrieben. Die deutsche Doyenne der Filmexilforschung versucht darin, die bisher rein historisch verstandene Begriffskombination "Exil und Film" weiter zu fassen und auf heutige Erfahrungen von Displacement, Flucht und Vertreibung hin zu öffnen. Filmklassiker von Max Ophüls, Peter Lorre, Fred Zinnemann und anderen werden zusammen mit Werken von Christian Petzold, Ruth Beckermann oder den diversen Filmen über Fritz Bauer einer (Re-)Lektüre unterzogen, wobei die Germanistin Klapdor auch literarische und philosophische Quellen in Hülle und Fülle einarbeitet – von Gabriele Tergit bis Siegfried Kracauer, Anna Seghers bis Hans Blumenberg, Ursula Krechel bis Alexis Nouss.


Zum Schaün

Zugegeben, es ist schon ein paar Wochen her, dass die in Wien lebende Filmtheoretikerin Claudia Siefen-Leitich das Büro des Wiener Künstler-Triumvirats Steinbrener/Dempf & Huber mit einer "Wandzeitung" verpackt hat. "Alice in Illness" heißt die sehenswerte Aktion, und sie beschäftigt sich mit der Präsentation kranker Frauen im Kinofilm. Damit, wie Leinwanddiven "krank" spielen und welch mitunter sehr überraschende Folgen dies für den Fortgang des jeweiligen Plots hat. Opulente Szenenfotos mit Audrey Hepburn, Susan Hayward, Barbara Stanwyck et al. laden noch bis November zum Verweilen vor der Auslage – Adresse: 1020 Wien, Glockengasse 6 – und zum Rätseln ein: Welcher Film? Kenn ich die Schauspielerin? Und was passiert weiter?


Podcast

Im FALTER-Podcast wird über die Zukunft der türkis-grünen Regierung, Sebastian Kurz und die vierte Corona-Welle diskutiert. Zu Gast bei Raimund Löw sind Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne), SZ-Korrespondentin Cathrin Kahlweit, Richard Grasl (Kurier) und Eva Konzett. Hier können Sie die Sendung anhören, ab morgen finden Sie sie auch auf falter.tv


Noch Ein Tipp

Heute sind zwei äußert interessante Interviews mit FALTER-Journalisten in internationalen Blättern erschienen: Herausgeber Armin Thurnher erklärt in der deutschen ZEIT den Ursprung des österreichischen Mediensumpfs und den aktuellen Fall mutmaßlicher Inseratenkorruption. Chefredakteur Florian Klenk beschreibt im Interview mit dem Schweizer Magazin "Republik", wie sich Sebastian Kurz am Sicherungskasten der liberalen Demokratie vergriffen hat. Viel Spaß beim Lesen!

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