Die Vertrauensfrage - FALTER.maily #655

Josef Redl
Versendet am 27.10.2021

Nicht, dass es Sie etwas angeht, aber ich sag es Ihnen trotzdem: Ich bin zwei Mal geimpft (Astra Zeneca und Moderna). Biontech/Pfizer hole ich mir bei Gelegenheit auch noch, der Vollständigkeit halber. Ich habe nämlich großes Vertrauen in die Wissenschaft. Mit "die Wissenschaft" meine ich nicht ausschließlich die einzelnen Entwickler von Impfstoffen und Medikamenten, sondern auch die Prozesse rund herum: Die internationalen und nationalen Zulassungsstellen, die wissenschaftliche Community, die Studien kritisch kommentiert.

Ich weiß nicht, wie Sie das sehen. Dafür weiß ich, wie die Menschen in Österreich das sehen. Die EU-Agentur Eurofound hat eine groß angelegte Befragung in der Europäischen Union durchgeführt. Abgefragt wurde dabei unter anderem auch das Vertrauen in verschiedene Institutionen (die Ergebnisse können Sie hier nachsehen). Und was soll ich sagen? Wir haben ein Problem. In keinem Land der Europäischen Union hat das Vertrauen der Bevölkerung in die Wissenschaft seit Beginn der Pandemie mehr gelitten als in Österreich. 32 Prozent der Österreicherinnen und Österreich sagen, sie haben sehr oder ein bisschen das Vertrauen in die Wissenschaft verloren. Der EU-Schnitt liegt bei 20,8 Prozent. Das ist immer noch jene Wissenschaft, der es gelungen ist, während einer Pandemie mehrere wirksame Impfstoffe gegen Covid-19 zu entwickeln.

Man soll ja vorsichtig sein, was Kausalität und Korrelation betrifft, aber das Vertrauen in die Medien dürfte da eine Rolle spielen. Das ist nämlich nur in Luxemburg und Kroatien schlechter ausgebildet als in Österreich. Die Konsequenz: Mehr als 35 Prozent der Befragten informieren sich hierzulande in erster Linie nicht über klassische Medien (Zeitungen, Radio, Fernsehen), sondern über Social Media oder "andere Informationskanäle". Auch hier liegt Österreich deutlich über dem EU-Schnitt.

Viel Grund für Optimismus bleibt nicht: Die Befragung wurde im März 2021 abgeschlossen. Das war lange bevor der Skandal um getürkte Umfragen und gekaufte Boulevard-Berichterstattung bekannt wurde.

Ihr Josef Redl


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