Vom Striezel zur Katastrophe und zurück - FALTER.maily #1198
Ich habe mir angewöhnt, meine Sonntage mit einem selbstgemachtem Striezel zu begrüßen.Nicht schlecht für den ersten Satz eines ...
Morgen ist Allerheiligen. Das gibt diesem Sonntagsbrief einen speziellen Akzent. Doppelt gemoppelt, sozusagen. In meiner Kindheit, die schon etwas länger zurückliegt, erschien uns die revolutionäre Einrichtung der Sonntagabendmesse. Diese konnte man besuchen, damit das sonntägliche Skifahren möglich wurde und der Sonntag nicht ohne die schwere Sünde eines entfallenen Messbesuchs vorüberzog.
Nun will ich meinen Brief an Sie nicht mit einer Sonntagspredigt vergleichen, das wäre Blasphemie, aber als Anspielung auf den abendlichen Empfang dieses Briefs mag die Sonntagabendmesse durchgehen.
Allerheiligen ist das Fest der wirklich Heiligen. Heilige sind "in religiöser und ethischer Hinsicht vorbildlich angesehene" Menschen, sagt Wikipedia. Die Anerkennung ihrer Heiligkeit kann sich durch Verfahren religiöser Institutionen vollziehen, durch weltliche Autoritäten erfolgen oder durch "Akklamation und Verehrung durch das gläubige Volk" stattfinden. Damit wären wir bei der Politik, die sich uns ja als ein ständiger Wettbewerb um diese Akklamation darstellt.
Das ist eine betrübliche Erkenntnis für Anhänger der Aufklärung. Diese setzten ja auf Überzeugung durch Argumente. Aber die Welt ist eben anders. Der österreichische Nationalheilige ist der Scheinheilige, wie der NVP-Abgeordnete Andreas Hanger kürzlich beobachtete. Er konnte es nicht so formulieren, doch wollte er davon ablenken, dass in seiner Partei gerade ein beträchtliches Heiligengemetzel einsetzt.
Der politische österreichische Heilige kommt ja nicht ohne religiöse Anspielungen oder Anklänge aus. Man darf vermuten, dass unsere Politik damit in den tiefen Spuren des durch die Gegenreformation gezeichneten Volksglaubens fährt. Jörg Haider unseligen Andenkens behauptete zum Beispiel „Sie sind gegen ihn, weil er für euch ist“, ein Satz, der, wäre er nicht von Herbert Kickl gewesen, direkt aus der Bibel oder dem Drehbuch des Sebastian Kurz stammen hätte können.
Auch dieser entheiligte Sebastian wird derzeit seinem Märtyrerstatus durchaus gerecht. Dieser Brief kommt ohne Illustrationen aus, aber sie können sich im reichen ikonografischen Angebot ein passendes Bild aussuchen.
Den Unterschied von Politik zu Religion erkennt man daran, dass die Regierungspartei derzeit lieber die Kritiker verfolgt als den gefallenen Engel. Der Überbringer der fatalen Botschaft, dass der oberste Heilige doch ein Scheinheiliger war, gilt als der eigentliche Bösewicht. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft stellt man als fast kriminelle Organisation hin.
Schmutzmedien im Dienste des Ex-Heiligen verfolgen Florian Klenk derzeit mit einer Giftkampagne. Seine Aufdeckungen sind der Gemeinschaft der Scheinheiligen schon die längste Zeit sehr unangenehm. Sie brüsten sich sogar damit, ihm mit Detektiven zu Leibe zu rücken, deuten seinen Wohnort an und lassen Schlimmeres befürchten.
Wir nehmen das noch mit Fassung, weisen aber darauf hin, dass der Einsatz von Detektiven gegen Journalisten einen ziemlich totalitären Hautgout aufweist. Halten wir uns die Nase zu und versuchen wir, beim Austrocknen der sich auftuenden Sümpfe kühl zu bleiben.
In ethischer Hinsicht vorbildlich zu sein, das werden nur wenige von uns erreichen. Aber denen, die uns mit schmutzigen Mitteln an unseren Bemühungen um etwas mehr Sauberkeit hindern wollen, werden wir nicht auch noch die andere Wange hinreichen.
Amen.
Haben Sie trotzdem eine schöne Woche!
Ihr Armin Thurnher
Wer verstehen will, warum Florian Klenk der ÖVP so unangenehm ist, dass sie fast alles (siehe oben) gegen ihn unternimmt, lese zum Beispiel diesen Text.
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