Arbeitsdienst für Abtreibung - FALTER.maily #1047
Acht Monate gemeinnützige Arbeit. Das ist das Urteil, das Justyna Wydrzyński vor wenigen Tagen erhielt, weil sie einer Landsfrau in Not ...
Das wird jetzt ein bisschen länger, aber ich bitte Sie, diesen Text zu lesen.
Ich wollte die letzte Woche eigentlich einen entspannten Urlaub machen, doch das ist mir nicht gelungen. Der Grund dafür ist eine sehr toxische Kampagne, die das ÖVP-nahe Medium "exxpress" gegen mich und den FALTER fährt.
Finanziert wird der Express von Eva Hieblinger-Schütz, der ehemaligen Stellvertreterin von Thomas Schmid, dem Hauptbeschuldigten der Inseraten-Affäre und ehemaligen Generalsekretär im Finanzressort. Ihr Mann Alexander Schütz ist ÖVP-Spender und auf Du-und Du mit Sebastian Kurz, wie seine Emails zeigen. Wenn ausländische Staatsgäste aus Asien bei Schütz auftauchen, lädt er den Sebastian schon mal zu sich nach Hause ein. Schütz verlor seinen Posten als Aufsichtsrat der Deutschen Bank, weil er die Financial Times "fertig machen" wollte, nachdem die über sein Kontrollversagen in der Wirecard-Affäre berichtet hatte. Schütz war an der Detektivfirma Aventus beteiligt, die auch schon Stasi-IMs beschäftigt hatte, wie das Manager Magazin berichtete. Ihr Job ist "Akquisition, Sicherung und Kontrolle von Informationen".
Im Verbund mit dem "Plagiatsforscher" Stefan Weber behauptet das Schütz-Medium Exxpress seit Tagen, ich hätte Akten illegal von der WKStA bekommen, ich würde also kriminell arbeiten. Auch der ÖVP-Abgeordnete Martin Engelberg erhob diese Vorwürfe im Exxpress, zumindest zwischen den Zeilen.
Die Vorwürfe sind nicht neu, sie werden immer wieder erhoben, auch von ÖVP-Politikern, die mit der Kriminalisierung journalistischer Arbeit davon ablenken wollen, dass gegen die ÖVP ermittelt wird. Die Fake-News sickern dann in klassische Medien.
Neu sind die Methoden, mit denen ich seit Tagen einem regelrechten Psychokrieg unterworfen werde. Ich erhalte knapp vor Mitternacht Chats von Weber, dass es nun "eng" für mich werde. Und immer wieder tauchen Details aus meinem Privatleben im Netz auf. Der Dirigent der Kampagne ist Richard Schmitt, ein strafrechtlich verurteilter Boulevard-Journalist und Fake-News Produzent, der sowohl bei der Krone als auch bei Österreich gehen musste.
Die Geschichte begann am 7. Oktober, als mich der Plagiatsforscher Stefan Weber kontaktierte und meinte, er interessiere sich für den "500-Seiter" über Sabine Beinschab, jene Meinungsforscherin, die nun wegen Untreue verfolgt wird und als Kronzeugin gegen die Kurz-Clique aussagen wird. Da Plagiatsforscher Weber gelegentlich für den Falter schrieb und mir bekundete, dass er Beinschab-Studien untersuchen wolle, schickte ich ihm den Akt mit dem Hinweis "vertraulich". Ich war an seinen Erkenntnissen interessiert. Er garantierte volle Vertraulichkeit, ich vertraute ihm. Das war mein Fehler. Er legte mich aufs Kreuz.
Schon kurz nach diesem Chat schickte mir Weber merkwürdige Fragen, die eine andere Frau betrafen, nämlich Sarah B., jene bei der WKStA beschäftigte Wirtschaftsexpertin, die das sogenannte "Beinschab-Österreich-Tool" in den Chats entdeckt und damit den Rücktritt von Kurz ausgelöst hatte. Weber fragte: "Wer ist „MMag. Sarah Christina B, LL.M.“? Ich finde zu ihr nichts. Ist das ein Pseudonym zum Schutz?" Ich war verwundert, denn Weber widmete sich auf einmal einer anderen Frau, als er vorgab, nämlich der Ermittlerin und nicht der Beschuldigten. Das war dubios. Ermittler zerrt man in der Regel nicht vor den Vorhang.
Kurz danach erreichte mich eine andere merkwürdige Information aus der Medienbranche. Christoph Reiser, der Pressesprecher von Innenminister Karl Nehammer, streute bei Servus TV, ich würde in der Nähe der WKStA-Ermittlerin Christina B. und ihrem Ehemann wohnen. Auch dieser Ehemann, Gregor A., arbeitet bei der WKStA und ermittelt in der Causa Kurz. Der Hinweis auf den gemeinsamen Wohnort sollte offenbar insinuieren, dass wir privat Akten austauschen. Ich bat Karl Nehammer, diesen Tratsch und die Schnüffelei in meinem Privatleben abzustellen. Er sicherte mir das zu.
Kurz darauf startete Exxpress eine aggressive Kampagne. In der WKStA gebe es eine dubiose "Liebesbeziehung" zwischen einem Staatsanwalt und jener "Hilfskraft", die den Kurz-Akt auswerte (gemeint war Sarah B.). Auch Weber setzte nach, verglich die Causa mit dem Fall von Bild-Chef Julian Reichelt, sprach von einer "Inhouse-Liebesbeziehung" und fragte: "Wer zieht hier wie die Grenze zwischen Einvernehmen und Machtmissbrauch?" Illustriert waren die Berichte mit einem Foto der Ermittlerin, auf dem sie nur ein Tank-Shirt trägt, offenbar geklaut aus ihren privaten Facebook-Accounts.
Das Signal war klar: Wir setzen die junge blonde Frau in der WKStA unter Druck und thematisieren ihr "Liebesleben". Und wir unterstellen der Behörde Missbrauch von Frauen. Mehr noch: Weber, der sich als Plagiatsforscher einen Namen gemacht hatte, fragte auf Twitter herum, wieso die Frau keine Email-Adresse habe und wo denn ihre wissenschaftlichen Arbeiten zu finden seien. Natürlich dort, wo sie immer sind: in den einschlägigen Bibliotheken. Hätte Weber ernsthaft recherchiert, wüsste er, dass die Frau seit sieben Jahren bei der WKStA arbeitet, ihre die Lebensgemeinschaft offen gelegt hat und diese als unbedenklich bewertet worden war.
Aber es ging weiter. Weber fragte nun öffentlich, wo ich eigentlich den von ihm erbettelten Beinschab-Akt herhätte. Ich beantwortete die Frage mehrmals öffentlich: von Anwälten, die diesen Akt ganz legal über die Akteneinsicht von der Behörde bezogen hatten. Doch sowohl Weber als auch Schmitt stellten das in Abrede und witterten eine "Falterleaks"-Affäre. Einige Twitter-Trolle, aber auch ÖVP-Accounts verbreiteten die Fake-News unter dem Hashtag "FalterGate".
Als ich bewiesen hatte, dass alle Informationen im FALTER aus Akten stammten, die an Beschuldigte übergeben worden waren, sattelte der Exxpress um.
Schmitt streute mit Suggestivfragen Verwirrung, forderte meinen "Rücktritt" und thematisierte just jenes Gerücht, das der Sprecher Nehammers kurz zuvor gestreut hatte, nämlich dass ich in der Nähe des WKStA-Staatsanwalts und seiner Frau leben würde - unter genauer Kilometerangabe. Motto: Wir wissen, wo ihr wohnt. Weber wiederum vertwitterte die Story und setzte dann noch einen Screenshot mit meiner Hausnummer darunter, die er im Impressum des FALTER gefunden hatte.
Danach eskalierte die Sache erstaunlich schnell. Denn unter Webers Tweet schrieb ein Anonymus mit dem Twitternamen @Kaeptn13: "...Wir lassen ihn gerne leben wenn er mal paar Tage seine Pappn hält". Das empfinde ich als ganz klare, gefährliche Drohung und Nötigung.
Hier hört der Spaß auf. Der "Kaeptn13"-Account steht nun im Fokus der Strafverfolgungsbehörden. Karl Nehammer hat die Polizei instruiert zu ermitteln, die Staatsanwaltschaft St. Pölten ist am Wort. Am Montag wurde ich einvernommen.
Einige seiner Tweets dürfen @Kaeptn13 zum Verhängnis werden. Er twitterte Fotos von Match-Karten für ein Spiel im Wörtherseestadion (Real Madrid vs. AC Milan). Darauf sieht man die von ihm gekauften Plätze. Er twitterte weiters ein Foto vom Match, war also offenbar selbst dort. Er twitterte aus einem Hotel in Bad Tatzmannsdorf, wo er Urlaub machte. Und er berichtete über einen gemeinsamen Impftermin mit einem Verwandten in Wien.
Wir suchen nun den Mann hinter "@Kaeptn13" und stoßen dabei auf Merkwürdigkeiten. Der Account wurde im März 21 gegründet, genau als der Exxpress online ging. Er folgt gerade mal sechs Personen - darunter dem Chef des Exxpress, Richard Schmitt. Der vergleichsweise kleine Account bekam vom Exxpress außergewöhnlich oft Aufmerksamkeit geschenkt. Der Express-Chef teilte auch immer wieder Tweets von "@Kaeptn13". Vielleicht sind das alles nur Zufälle. Bald wissen wir mehr.
Ich habe mich dem Strafverfahren gegen den @Kaeptn13 als Privatbeteiligter angeschlossen. Daher habe ich Akteneinsicht. Der Krimi wird bald gelöst sein.
Ihr Florian Klenk
Was derartige Kampagnen gegen kritische Medien bewirken sollen und warum wir uns ganz bestimmt nicht einschüchtern lassen werden, erzähle ich auch in diesem Video.
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