Aufwachen, liebe ÖVP! - FALTER.maily #673

Barbara Tóth
Versendet am 18.11.2021

Um zu verstehen, warum unsere Pandemiepolitik gerade kurz vor dem Kollaps steht, muss man sich kurz einmal in das kollektive Ego der ÖVP versetzen. Sie ist quasi gefangen in einer Zeitschleife. Ihr Führer, Sebastian Kurz, ist nicht mehr an der Macht, aber so ganz realisiert hat es die Partei noch nicht.

Kurz' Credo war Folgendes: Wer geimpft ist, für den ist die Pandemie vorbei. Deshalb wehrte sich der Ex-Kanzler immer gegen die Wiedereinführung einer generellen Maskenpflicht. Denn die Maske ist das sichtbarste Zeichen des Ausnahmezustands, den es in seinen Augen nicht mehr geben hätte dürfen.

So war es auch in den letzten Tagen. Denn es ist natürlich ein Schmafu zu glauben, Kanzler Alexander Schallenberg schaltet und waltet aus sich heraus. Wer mit Grünen in der Regierung spricht, bekommt als Erstes geschildert, wie die unsichtbare Hand Kurz' die Schwarzen nach wie vor lenkt.

Kurz' zweites Credo: Die Pandemie ist ein individuelles gesundheitliches Problem, also die Eigenverantwortung eines jeden einzelnen. Ungeimpft? Selber schuld, dann muss er oder sie halt auch die Konsequenzen tragen und notfalls vor dem Krankenhaus campen, wenn die Stationen voll sind.

Das Bequeme an dieser Haltung war aus türkiser Sicht: Die Landeshauptleute, maßgeblich in der Gesundheitspolitik, sind fein raus. Nur keine Haltungsnoten für Salzburg, Oberösterreich, Vorarlberg, Steiermark oder Tirol vergeben. Wenn etwas schief geht, ist entweder das Volk zu blöd oder der grüne Gesundheitsminister zu unfähig, aber nie ist ein schwarzer oder türkiser Regionalfürst schuld.

Beide Kurz'schen Credos sind gescheitert. Die Pandemie ist auch für die Geimpften nicht vorbei. Wehe, wer einen Freizeitunfall hat. Oder schlimmer noch, chronisch krank ist. Man will in den nächsten zwei Wochen nicht ins Spital müssen. Und natürlich kann sich die Landespolitik nicht ihrer Fürsorgepflicht entziehen, epidemischer Föderalismus hin oder her. Wenn sonntags keine Impfbusse bereitstehen und Leichen am Krankenhausgang auf Obduktion warten, trägt nicht Wien, sondern Linz oder Salzburg die Verantwortung.

Die ÖVP handelte in den letzten Tagen, als wäre sie im Spätsommer, als die Welt noch in Ordnung und Kurz ihr geliebter Kanzler war, eingefroren worden.

Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer und sein Salzburger Kollege Wilfried Haslauer haben heute bekannt gegeben, dass sie ihre beiden Bundesländer in einen Lockdown schicken werden. Endlich raus aus der Zeitschleife, aber tragischerweise viel zu spät.

Ihre Barbara Tóth


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