Andi Babler, die EU und meine Barbiepuppe - FALTER.maily #1101
Die Sache zwischen mir und der Europäischen Union begann mit großer Zustimmung. Irgendwann Anfang der 1990er-Jahre hatte mein Vater mich ...
Vergangenen Samstag bin ich auf die Anti-Corona-Demo gegangen, ich wollte nur schauen. Manche Teilnehmer haben mich trotz Maske erkannt. Ich wurde beschimpft ("Oaschloch"), manche wollten reden ("Geht der Kurz in den Häfen?"). Ich war ein bisschen nervös. Aber ich wollte sehen, wer da demonstriert.
Ich war erstaunt, denn es strömten rund hunderttausend Menschen über die Ringstraße. Trommelnde Mädchen, brüllende Männer, Clowns und Nazis, Trachtenpärchen, Rauschebärte, Hipster und Krankenschwestern. Wer waren die Menschen? Nazis? Ja, auch. Rechtsextremisten? Ja, auch. Spinner? Ja, auch. Der Kellner im Café Prückl erzählte mir, er sei angespuckt worden, weil er den 2G Nachweis wollte. Und kurz darauf sah ich, wie seinem Kollegen dasselbe passierte. Viele Leute wirkten an diesem Abend komplett daneben und gereizt. Videos des Journalisten Michael Bonvalot zeigen richtig aggressive Neonazis.
Aber eben nicht nur. Mich erinnerte diese riesige Menschenmasse am Ring an die Praterhauptallee nach einem Ländermatch. Neben Hooligans und Schlägertypen gibt es auch viele Leute aus dem Familiensektor zu sehen. Das war das Unheimliche an der Demo, dass sie so breit besucht war. Dass so viele normale Menschen gegen eine Impfung demonstrieren, die ihr Leben retten kann. Sie als Nazis oder Mitläufer von Nazis zu bezeichnen, ist Unsinn.
Man kann jetzt ganz lange darüber diskutieren, ob die Leute auf der Kundgebung es hätten wissen müssen, dass vorne die Identitären ihre fremdenfeindlichen Banner ausrollten und "Judensterne" mit der Aufschrift "Ungeimpft" trugen. Doch das Zurechtweisen bringt uns bei der Pandemiebekämpfung nicht weiter. Das überlassen wir Alexander Schallenberg und manchen Twitter-Linken. Die wirklich entscheidende Frage lautet: Wie bringt man die Leute aus dem Familiensektor möglichst schnell in den Impfbus?
Die Regierung setzt nun – spät, aber doch – auf die Impfpflicht. Menschenrechtlich ist sie zulässig, das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg mehrfach ausgesprochen. Auch in Deutschland werden – entgegen dem Willen großer Teile der Bevölkerung - die Menschen zwangsweise gegen Masern geimpft.
Aber wie exekutiert man so eine Pflicht? Einsperren, bis der Arzt kommt?
Es gibt mehrere Vorschläge. Die harte Variante: Wer sich nicht impfen lässt, bekommt eine Strafe und die Zwangsisolation. Das ist langweilig und führt zu Ärger.
Es gibt intelligentere Wege. Einer unserer Leser, Manfred Oswald, der an der FH Statistik und Datenanalyse unterrichtet, schreibt uns, man solle die Leute nicht zum Impfen zwingen, sondern dazu, sich in einem Impfzentrum einzufinden, um dort von Medizinerinnen und Medizinern beraten zu werden. Nur wer diesen Termin nicht wahrnehme, erhalte eine Geldstrafe. Der Vorteil: Es gibt keinen Impfzwang, sondern eine Pflicht bei Ärzten zu erscheinen und zumindest eine fachliche Meinung anzuhören. Das würde bei der Masse schon wirken.
Der Jus-Professor Alfred Noll regt an, man könnte die Impfpflicht so ausgestalten wie den Mutter-Kind-Pass. Wer sich nicht impfen lässt, verliert automatisch gewisse Zahlungen des Staates – etwa die Familienbeihilfe oder (bei Kinderlosen) andere Benefizien. Der Staat müsste keine aufwändigen Strafverfahren führen, an deren Ende doch nur Märtyrer stünden, sondern könnte über seine Steuern das Verhalten der Menschen steuern.
Man könnte auch, wie Armin Thurnher anregt, eine Corona-Abgabe einführen. Wer sich impfen lässt, ist davon befreit.
Eine Impfpflicht muss jedenfalls von einer gewaltigen Aufklärungskampagne begleitet werden. Denn ein großer Teil der "Impfverweigerer" ist einfach desinteressiert oder in Sorge. Viele sind überfordert damit, einen Termin zu buchen. Ein paar "Impft-Euch!" Postings am Insta-Account der Neuen Volkspartei reichen jedenfalls nicht. Der ORF könnte bald ein Bürgerforum machen. Experten antworten den Impfgegnern. Wer herumschreit, muss allerdings gehen.
Vielleicht muss man auch, wie die Journalistin Sigrid Neudecker vorgeschlagen hat, ein gemeinsames nationales Ziel definieren, wie bei einem Wettbewerb. Eine Anzahl von Impfungen an einem bestimmten Datum. Wenn wir es schaffen, gibt es eine Belohnung. Einen Schnitzelgutschein, eine Steuergutschrift oder ein Jahresabo im Familiensektor beim Lieblingsverein.
Ihr Florian Klenk
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